Rezeptdaten

„Spiegel“-Bericht heizt Diskussion an

Berlin - 22.08.2013, 12:12 Uhr


Der „Spiegel“-Bericht über die Weiterverarbeitung von Rezeptdaten durch Apothekenrechenzentren hat die Diskussion und die Berichterstattung über den Datenschutz angeheizt. Verschiede Lokalzeitungen beschäftigen sich inzwischen mit dem Thema, befragen Apotheker vor Ort und erkunden die Stimmung. Auch der Bremer Professor Gerd Glaeske meldete sich zu Wort. In Bremen lobt die Landesdatenschützerin derweil das Rechenzentrum NARZ für seine konsequente Haltung zum Datenschutz.

Ob der Datenskandal vielleicht noch größer als bisher bekannt sei, fragte die Wochenzeitung „Die Zeit“ Glaeske. „Ja. Von IMS Health kann man auch Daten erhalten, die von Ärzten kommen, über die Durchschriften von Rezepten. Die Datenfirmen haben private Deals mit einzelnen Ärzten und Apotheken. Auf den anonymisierten Durchschriften steht manchmal auch die Diagnose“, antwortet  Glaeske. Trotz der Datenschutzproblematik hält der Bremer Professor die Rezeptdatenauswertung für sinnvoll: „Ja, solange der Datenschutz strikt beachtet wird, um zu erfahren, ob Medikamente richtig eingesetzt werden. Wir konnten zum Beispiel feststellen, dass 40 Prozent der Kinder in Deutschland unnötig Antibiotika bekommen und dass in und um Würzburg zu viel Ritalin verordnet wird.“

Derweil kümmern sich Regionalzeitungen um die Stimmung vor Ort. In der Diepholzer Kreiszeitung kommen zwei Apotheker zu Wort, die sich beim norddeutschen Rechenzentrum NARZ gut aufgehoben fühlen. Als Kronzeugin zitiert Tageszeitung die für NARZ zuständige Bremer Datenschützerin Dr. Imke Sommer:  „Das kommt sicherlich nicht oft vor, aber bei diesem Betrieb ist das berechtigt“, sagt sie gegenüber der Kreiszeitung. Die Mitarbeiter hätten ein Verfahren entwickelt, Rezeptdaten erfolgreich zu anonymisieren, so Sommer. Die aus Rezepten hervorgehenden Informationen über Patienten, Ärzte und Apotheken würden einfach gelöscht und könnten deshalb nicht zurückverfolgt werden. „Die Narz-Mitarbeiter machen das ganz gut.“

Patientendaten seien durchaus kostbar, sagt Sommer. Nur allzu gerne wüssten die Konzerne, welche Ärzte eher das gleiche Medikament verschreiben und welche Mediziner geneigt sind, neue Präparate auszuprobieren, gibt Sommer ein Beispiel. „Solche Informationen führen dazu, dass Anreize geschaffen werden, dass Mediziner eher das von Vertretern angepriesene Präparat auf ihren Rezeptblock schreiben. Das wiederum geht zu Lasten der Patienten“, ist sich Bremens Datenschützerin sicher.

Die Augsburger Allgemeine besuchte ebenfalls Apotheker vor Ort. Sie besuchte die Krumbacher Bahnhof-Apotheke. Apotheker Hans-Jörg Jedelhauser und seine Mitarbeiter hatten danach alle Hände voll zu tun, Kunden zu beruhigen und aufzuklären. „Dabei sind es ja, wie auch in der Zeitung zu lesen stand, nicht wir Apotheker, die Daten verkaufen“, ärgert er sich. „Wir geben keine Daten weiter.“ Da sei von „Pillendrehern“ und „Dealern“ die Rede, die Kunden übers Ohr hauen und ihnen unnütze Medikamente andrehen wollten. „Ich führe diese Apotheke seit 1977 und wir empfehlen hier nur, was wir auch selber nehmen würden.“ Ein anderer Apotheker aus dem Landkreis, der nicht genannt werden wolle, moniere die Art der Berichterstattung, bei der „Apotheker in die Nähe zu Verbrechern“ gestellt würden. „Früher galt ein Apotheker noch als ehrenwerter Mensch. Heute wird man von Krankenkassen und Staat misstrauisch überwacht wie ein potenzieller Krimineller.“

Und Christian Frank vom ARZ Darmstadt betonte im Darmstädter Echo, das Rechenzentrum liefere Daten ausschließlich im Rahmen der gesetzlichen Regelungen im Sozialgesetzbuch und keine personenbezogenen Daten an Marktforschungsunternehmen oder die Pharmaindustrie. Darüber hinaus pflege das ARZ seit Jahren einen engen Kontakt zur Hessischen Datenschutzbehörde, die keine Einwände gegen die beim ARZ Darmstadt etablierten Prozesse habe. „Wir haben eine doppelte Verschlüsselung der Patientendaten. Das ist Stand der Technik“, so Frank.


Lothar Klein


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