Früherer IQWiG-Leiter

Peter Sawicki: AMNOG ist „Augenwischerei“

Berlin - 19.08.2013, 12:21 Uhr


Peter Sawicki, bis Mitte 2010 Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), hält das Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG) für „Augenwischerei“. Es sei „ein ungeeignetes Instrument zur Nutzenbewertung und ein schlechtes Instrument, um Kosten zu sparen“, sagt der Mediziner im Interview mit „Spiegel online“.

Sawicki hatte das IQWiG seit seiner Gründung im Jahr 2004 geleitet. Seitens der pharmazeutischen Industrie hatte er dabei viel Kritik einstecken müssen. Nach dem Regierungswechsel vor vier Jahren wurde dem Mediziner vorgeworfen, zweifelhaft abgerechnet zu haben. Union und FDP setzten sich dafür ein, dass sein Vertrag nicht verlängert wird. Im September 2010 löste dann Jürgen Windeler Sawicki an die Spitze des Kölner Instituts ab.

Seitdem war es still geworden um Sawicki. Nun hat er „Spiegel Online“ ein Interview gegeben. Darin zeigt er sich durchaus zufrieden mit seiner Situation – er arbeitet wieder als Arzt, unterrichtet Studenten und forscht am Diabetes-Institut in Neuss. „Diese ganzen aufgeblasenen Gremien im Gesundheitssystem, das ist sowieso nie meine Welt gewesen. Sechs Jahre habe ich für das IQWiG gearbeitet, dann war meine Art der Kritik nicht mehr gewollt. Das muss ich akzeptieren“. Er sei damals naiv gewesen, sagt er. „Ich dachte damals, dass die verschiedenen Gruppen im Gesundheitssystem – die Ärzte, die Krankenhäuser, die Versicherungen – vor allem im Sinne der Patienten agieren. Ich musste lernen, dass es diesen Vertretern immer erst um die eigenen Interessen geht, um die Verteilung der 300 Milliarden im System, und dann irgendwann erst, wenn überhaupt, um die Patienten“.

Doch gänzlich resigniert ist er offenbar nicht. Hoffnung mache ihm die internationale Bewegung, die immer lauter fordere, dass Pharmakonzerne endlich alle Ergebnisse ihrer Studien offenlegen müssen – auch die negativen. Die zudem frage, warum es so viele Medikamente gibt, die zugelassen sind und wieder vom Markt genommen werden müssen. Allerdings: Der Pharmaindustrie will Sawicki die Schuld an Missständen nicht einseitig in die Schuhe schieben. „Die Pharmaindustrie ist wichtig, wir brauchen nur eine bessere“, sagt er. „Und eine Politik, die dies auch umsetzt“. Aus seiner Sicht, denken Politiker nicht weit genug, wenn es um klinische Studien geht. Die Erfahrungen zeigten immer wieder, dass frühzeitig gute patientenrelevante Studien nötig sind. Doch daran mangele. „Deutschland müsste hier als größtes und reichstes europäisches Land viel mehr tun“.

Auch von der mit dem AMNOG eingeführten frühen Nutzenbewertung neuer Arzneimittel hält Sawicki wenig. „Zu so einem frühen Zeitpunkt einer Prüfung liegen noch gar keine gesicherten Angaben darüber vor, wie sich das Mittel im Alltag auswirkt“, gibt er zu bedenken. „Aktuell kann es also durchaus sein, dass in der frühen Nutzenbewertung echte Innovationen nicht durchkommen, schädliche aber doch akzeptiert werden“.


Kirsten Sucker-Sket