Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

09.06.2013, 08:00 Uhr


Endlich ist Ruhe im Karton. Schluss mit Prämien, Talern und Boni für die Einlösung von Rezepten. Der Bundestag hat ein Verbot für Boni und Co. im Heilmittelwerbegesetz verankert. Die noch ausstehende Zustimmung des Bundesrats gilt als sicher. Mein liebes Tagebuch, das war’s dann – endgültig. Diese Prämienkrämerei war ja auch nicht mehr feierlich. Abgesegnet ist nun – endlich ­– auch die Notdienstpauschale: Notdienste ab August werden mit einem Betrag X bezuschusst – ein riesiger bürokratischer Aufwand macht’s möglich. Und noch der Witz der Woche: Steinbrück hat Karl Lauterbach, den „Liebling aller Apotheker“, in sein „Kompetenzteam“ aufgenommen. Na dann, gute Nacht SPD!

3. Juni 2013

Ein kleiner Zuschuss für den Nachtdienst der Apotheke – und ein gigantisches Bürokratiemonster im Hintergrund. Deutsche Gründlichkeit, deutsche Behörden  – daraus kann nur ein Monster entstehen. Wenn man die Entwicklung dieses Zuschusses nicht selbst miterlebt hätte, man würde es nicht glauben. Nicht dass schon alles kompliziert genug ist: mit Änderungsanträgen der Regierungskoalition wurde noch festgelegt, dass der Deutsche Apothekerverband (DAV), der den Nachtdienstfonds verwaltet, auch Strafgebühren von bis zu 500 Euro von bösen Apothekerinnen und Apothekern verlangen kann. Böse sind die Apothekers dann, wenn sie unberechtigten (!) Widerspruch gegen die vom DAV quartalsweise festzulegenden Auszahlungen aus dem Notdienstfonds einlegen oder wenn sie die Anzahl der Rx-Arzneimittel auf Privatrezepten nicht melden. Und dann darf der DAV diese privaten Rx-Arzneimittel schätzen. Na, das kann ja hoch her gehen. Da dürfen keine 16 Cent verloren gehen – sonst gibt es richtig Ärger. Da bleibt dann noch die Frage, wie die Apotheke eigentlich die Rx-Arzneimittel auf Privatrezepten erfasst. Per Hand mit Strichliste? Oder muss dafür ein eigenes Softwareprogramm für teures Geld geschrieben werden?

Ach ja, der Auszahlungsbetrag wird sich vermutlich weiter verringern, denn das Bürokratiemonster will gefüttert werden! Es muss eine Rücklage gebildet werden und die Kosten für den anfangs zu erstellenden Betriebsmittelkredit müssen finanziert werden. Und den Apothekenrechenzentren müssen auch noch Kosten erstattet werden. Oh, wie ist das schön. Das sieht ja langsam so aus, dass die Apotheken nichts mehr herausbekommen, sondern noch was draufzahlen müssen dafür, dass sie Nachtdienst machen dürfen. Nein im Ernst, mein liebes Tagebuch, bürdet man eigentlich anderen Berufsgruppen auch solche Monster auf oder kann man das nur mit uns Apothekers machen? Da hört man schon Apothekerinnen und Apotheker, die angesichts dieses Aufwands auf den Nachtdienstzuschuss ganz verzichten wollen.

4. Juni 2013

In Hamburg gibt’s eine neue Kammerbeitragsordnung. Es lagen Vorschläge auf dem Tisch, die Beiträge für Selbstständige nach der Umsatzsteuervorauszahllast und die der Angestellten nach dem Jahresbruttoeinkommen zu bemessen. Darüber wurde aber letztlich nicht abgestimmt. Stattdessen einigte man sich auf einen Änderungsvorschlag, den Betriebsstättenbeitrag für Selbstständige nach dem Umsatz zu staffeln und nach oben zu deckeln. Und für Angestellte wird ein nach der Arbeitszeit gestaffelter Grundbeitrag erhoben. Applaus gab’s von der Vollversammlung der Hamburger Apothekerinnen und Apotheker auch dafür, keine Daten über das Einkommen der Angestellten zu erheben.

Tarätätärä! Beim kommenden Deutschen Apothekertag ändert sich was! Ja, nachdem Programm und Ablauf jahrelang wie in Stein gemeißelt waren, wird in diesem Jahr erstmals etwas Neues probiert. Geplant ist eine große mehrstündige Generaldebatte. An dieser Debatte sollen sich neben den Delegierten auch alle anwesenden Apothekerinnen und Apotheker beteiligen können. Und die Debatte soll als Livestream übers Internet übertragen werden, damit die ganze Apothekernation zu Hause an den Rechnern und Tablets das Großereignis wird verfolgen können. Die Idee dazu soll ABDA-Präsident Schmidt gehabt haben. Mehr Transparenz! Na, denn mein liebes Tagebuch, da sind wir doch mal gespannt. Hoffentlich trauen sich dann einige, auch die richtigen Fragen zu stellen.

Apropos Apothekertag. Wo bleibt eigentlich ein Programmpunkt, der Rechenschaft darüber gibt, was aus den im letzten Jahr verabschiedeten Anträgen geworden ist? Anträge, über deren genauen Formulierung zum Teil intensiv gerungen wurde, oder die an Ausschüsse verwiesen wurden? Die Öffentlichkeit hat bisher nie erfahren, was daraus eigentlich geworden ist. Im Sinne der Transparenz sollte dies ein Ende haben. Auch der Deutsche Ärztetag informiert das Plenum darüber, was aus den Anträgen geworden ist. Die deutschen Apothekerinnen und Apotheker dagegen erfahren das Schicksal der Anträge nicht. Mein liebes Tagebuch, das muss sich ändern.

Noch immer ist nicht klar, wie Apothekenrechenzentren mit den aus der Rezeptabrechnung gewonnenen Daten umgehen dürfen. Landesdatenschützer schauen genau hin, welche Wege die Rezeptdaten nehmen, wenn sie für Marketingzwecke weiterverarbeitet werden. Derzeit prüfen die Behörden in Berlin und Nordrhein-Westfalen, ob der Datenschutz eingehalten wird. Der Berliner Datenschützer hat erst einmal die Weitergabe von Rezeptdaten gestoppt. Der Deutsche Apothekerverband hatte daher ein Treffen einberufen mit Vertretern der Apothekerverbände von Bayern und Berlin und von Apothekenrechenzentren, um zu beraten, wie man mit den Datenschutzprüfungen umgehen wolle. Klagen will man nicht, man sucht eine Konsenslösung. Damit allerdings sind nicht alle Rechenzentren einverstanden. Immerhin, es geht um Geld, viele Geld. Der Verkauf von Daten ist lukrativ. Jetzt muss eine geeignete Form gefunden werden, die den datenschutzrechtlichen Bestimmungen gerecht wird und trotzdem noch Daten erzeugt werden, die genug über die Verordnungen aussagen.

5. Juni 2013

Auf die neue Notdienstpauschale wird keine Mehrwertsteuer erhoben. Im Bericht des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestages hat das Bundesgesundheitsministerium dies klargestellt. Und das soll auch die Auffassung des Bundesfinanzministeriums sein. Allerdings müssen dies noch die Landesfinanzbehörden absegnen. Ins Gesetz wird dies allerdings nicht aufgenommen. Mein liebes Tagebuch, bleibt da ein Rest Unsicherheit?  Was ist, wenn eine Finanzbehörde nach eingehender Prüfung doch feststellen sollte, dass für die Notdienstpauschale Mehrwertsteuer gezahlt werden muss? Warten wir ab. Solange die ersten Auszahlungen nicht geflossen sind, bleibt ein mulmiges Gefühl.

Der Kracher der Woche: SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück stockte sein  „Kompetenzteam“ mit Karl Lauterbach auf. Karlchen mit der Fliege gilt als der Gesundheitsexperte der Sozialdemokraten, na ja, zumindest in den eigenen Reihen. Im Klartext: Würde die SPD nach der nächsten Wahl regieren dürfen, könnte im Sessel des Gesundheitsministers möglicherweise Lauterbach Platz nehmen. Für Apotheker würde dies bedeuten: warm anziehen, sehr warm. Denn Lauterbach, der Politiker, dem man nachsagt, jedem Mikrofon und jeder Kamera hinterherzurennen, ist kein Apothekenfreund. Er ließ immer wieder durchblicken, dass es nach seiner Meinung zu viele Apotheken gibt, dass sie zu wenig Wettbewerb haben und dass die Honorare zu hoch sind. Nein, diesen Gesundheitsminister hätte ein deutsches Apothekenwesen nicht verdient. Zum Glück ist noch einige Zeit hin bis September, in der Steinbrück mit seinem Kompetenzteam die volle „Kompetenz“ vorführen kann. Lauterbach nimmt seine Nominierung allerdings ernst, sehr ernst. So hat er schon mal vorsorglich sein Aufsichtsratsmandat bei der Klinikkette Rhön-Klinikum AG niedergelegt.

Wie Lauterbach denkt, zeigte sich aktuell bei der Diskussion um die Änderungsanträge zur frühen Nutzenbewertung, die die Union und die FDP zur Verabschiedung mit der 3. AMG-Novelle eingebracht haben. Lauterbach glaubt, dass das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) „platt gemacht“ wird, wenn sich die Pharmaunternehmen künftig selbst ihre Vergleichstherapie aussuchen könnten. Jens Spahn, gesundheitspolitischer Sprecher der Union, hielt dem entgegen, dass die SPD das AMNOG bis heute nicht verstanden habe. Denn im AMNOG-Verfahren werde bewusst unterschieden zwischen der Nutzenbewertung, die ausschließlich nach wissenschaftlichen Kriterien auf Evidenzbasis beruhe, und den anschließenden Preisverhandlungen zwischen dem pharmazeutischen Hersteller und dem GKV-Spitzenverband. Die von der SPD kritisierten Änderungen betreffen die Nutzenbewertung: Hier soll es künftig flexibler zugehen, wenn es mehr als eine zweckmäßige Vergleichstherapie gibt. „Die Kriterien zur Preisverhandlung bleiben davon unberührt“, betont Spahn.

6. Juni 2013

Sie wollen es einfach nicht verstehen, die Versandapotheken. Über das von der Regierung vorgeschlagene Verbot von Boni auf Rx-Arzneimittel sind sie nicht begeistert. Sie würden gerne weiterhin Boni und Prämien gewähren, um Wettbewerbsvorteile zu haben. Ihre Ablehnung des geplanten Verbots umschreiben sie mit Verbraucherfeindlichkeit, der von der Politik gewünschte Wettbewerb werde damit unterbunden. Ach, ja, mein liebes Tagebuch, Versender denken bei Wettbewerb an Boni und Prämie. Die Idee, dass Wettbewerb über eine tolle Leistung laufen kann, ist ihnen fremd. Aber so ist das eben: Beim Leistungswettbewerb können Versender nicht mithalten, zum Beispiel punkten durch rasche Lieferung, super Beratung und pharmazeutische Betreuung.

Land unter für einige Apotheken in Bayern und Ostdeutschland. Die heftigen Regenfälle und die gestiegenen Flusspegel überschwemmten mehrere Gemeinden in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Auch einige Apotheken sind vom Hochwasser betroffen. Das ist nicht lustig. Versicherungen zahlen nicht immer. Die Schäden sind noch nicht bezifferbar. Apothekerkammer und -verband in Thüringen setzen auf Eigeninitiative. Sie spenden z. B. alle Einnahmen des Thüringer Apothekertags für die betroffenen Apotheken. Und das Unternehmen Stada will seine vom Hochwasser beschädigten Arzneimittel den Apotheken erstatten. Freundliche Gesten, die Apotheken werden es danken.

Als Außenstehender kann man es kaum nachvollziehen, dass es so schwer sein soll, eine Liste zu erstellen über die Arzneistoffe, die bei einer Verordnung besser nicht ausgetauscht werden sollen. Im Prinzip handelt es sich um Arzneistoffe, bei denen häufiger Probleme mit der Therapietreue und/oder pharmazeutische Bedenken auftreten und solche mit sehr niedriger therapeutischer Breite. Im Prinzip handelt es sich dabei um Antiepileptika, Lithium, Methotrexat, Phenprocoumon und Schilddrüsenhormone. Eine Liste mit diesen Arzneistoffen hat die Politik vom Apothekerverband und vom Krankenkassenverband schon Ende Oktober des letzten Jahres eingefordert. Grundlage dafür ist eine Änderung im Sozialgesetzbuch, wonach DAV und GKV im Rahmenvertrag vereinbaren können, in welchen Fällen Arzneimittel nicht ausgetauscht werden dürfen. Seitdem geht es zwischen DAV und GKV hin und her. Krankenkassen erwecken den Anschein, blocken zu wollen. Sie treibt vermutlich die Sorge, dass dadurch ein paar Euro weniger durch die Rabattverträge überkommen. Schlimm. Na ja, bis die Liste unter Dach und Fach ist, sollten wir pharmazeutische Bedenken anmelden.

Am Abend des 6. Juni: Der Deutsche Bundestag stimmt dem Apothekennotdienstsicherstellungsgesetz zu. Endlich. Eine schwierige Geburt, um eine kleine Pauschale an die Apotheken für ihre geleisteten Notdienste auszahlen zu können. Union, FDP und die Linke stimmten dafür, Grüne und SPD enthielten sich. Jetzt muss das Gesetz am 5. Juli nur noch durch den Bundesrat, dann kann es ab 1. August in Kraft treten. Der bürokratische Aufwand zur Einsammlung und Auszahlung der Gelder für die Pauschale ist riesig. Und es bleibt eine Restunsicherheit, ob für die Notdienstpauschale auch noch Mehrwertsteuer gezahlt werden muss. Mein liebes Tagebuch, wir sind gespannt, wann die erste Auszahlung auf dem Apothekenkonto eingeht. Darauf trinken wir – eine Tasse Tee.

Noch nicht abgestimmt werden konnte am Abend des 6. Juni im Bundestag über die AMG-Novelle, mit der u. a. das Verbot der Boni auf Rx-Arzneimittel hätte über die Bühne gehen können. Der Grund: Die meisten Abgeordneten waren schon nach Hause gegangen, die Beschlussfähigkeit des Bundestags war nicht gegeben. Macht irgendwie ärgerlich, wenn man sieht, wie lasch die Abgeordneten ihre Aufgabe nehmen. Man vermutete, dass insbesondere Abgeordnete der Opposition die Beschlussunfähigkeit durch Abwesenheit herbeiführten, da sie mit der geplanten Änderung der Nutzenbewertung nicht einverstanden waren, die ebenfalls mit dieser AMG-Novelle verabschiedet werden sollte.

7. Juni 2013

Mit dem Dritten Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften wurde eine flexiblere Regelung für eine zweckmäßige Vergleichstherapie bei der Nutzenbewertung beschlossen: Der Hersteller kann aus mehreren vom Bundesausschuss festgelegten Vergleichstherapien eine wählen, mit der sein neues Präparat verglichen werden soll. Davon unabhängig wird in einem gesonderten Verfahren der Erstattungspreis ermittelt.

Und auch das wurde mit der dritten AMG-Novelle beschlossen: Das Aus für Boni, und Co. Apotheken dürfen in Zukunft keine Prämien, Boni, Taler und sonstige Rabatte für verschreibungspflichtige Arzneimittel gewähren. Was das Heilberufsrecht schon immer verboten hat, ist jetzt auch wettbewerbsrechtlich tabu. Endlich. Mit einem einfachen Satz im Heilmittelwerbegesetz wird sichergestellt, dass Zuwendungen und Werbegaben für Arzneimittel unzulässig sind, wenn sie entgegen den Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes gewährt werden. So einfach kann das gehen. Das Verbot wurde im Heilmittelwerbegesetz verankert. Mein liebes Tagebuch, der Apotheker als Krämer – wie hat sich doch in den letzten Jahren so mancher unserer lieben Kolleginnen und Kollegen auf diese Stufe gestellt, indem er glaubte, den Kunden mit 1 Euro pro Arzneimittel auf Rezept ködern zu müssen, und dies noch als Marketingaktion ansah. Und wie viele Prozesse wurden geführt, Prozess- und Rechtsanwaltskosten ausgegeben, um solche Aktionen durchführen zu können. Vergangenheit.
Am 5. Juli muss noch der Bundesrat über das Gesetz befinden. Da es nicht zustimmungsbedürftig ist, könnte allenfalls der Vermittlungsausschuss angerufen werden. Aber bis zum Inkrafttreten wird es nicht mehr lange dauern. Die Flyer und Prospekte, mit denen Easy-Apotheken, Versandapotheken und Co. ihre Prämien auf die Rezepteinlösung beworben haben, können schon mal entsorgt werden. Diese Krämermaßnahmen haben ein Ende. Ob sie sich was Neues einfallen lassen?

 


Peter Ditzel


Das könnte Sie auch interessieren

Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

Die letzte Woche 

Mein liebes Tagebuch

Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch