Kommentar

Die Mär von der knallharten Apothekerlobby

03.06.2013, 11:24 Uhr


Unter dem Titel „Alle Parteien lieben die Apotheker“ lässt sich im heutigen „Handelsblatt“ der Redakteur Peter Thelen über das Interview von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück in der „Apotheken-Umschau“ aus. Ihm missfällt offenbar, dass Steinbrück sich dort nicht knallhart für Apothekenketten, sondern lieber wachsweich für die inhabergeführte Apotheke ausgesprochen hatte.

„Das waren noch Zeiten, als SPD-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (…) für eine Liberalisierung des Gesundheitsmarktes focht“, beginnt der Kommentar. Ihr sei es „zu verdanken“, dass es heute einen Preiswettbewerb in Apotheken gebe – kein Wort davon, was die Entlassung der OTC aus der Erstattungsfähigkeit im Gegenzug angerichtet hat. Auch hätte Ulla Schmidt damals gerne das Fremdbesitzverbot abgeschafft und „den Weg für die Konkurrenz durch Kettenapotheken frei gemacht", behauptet Thelen. Und ist sichtlich unzufrieden darüber, dass sich Steinbrück „in der Apothekenrundschau“ (sic!) nun ganz anders äußert. Dahinter könne nur die Angst vor der Mobilisierungsmacht der Apotheker stecken, denn schließlich habe Ulla Schmidt die Erfahrung machen müssen, dass „20.000 Apotheker kein großes Gewicht an der Wahlurne haben. Sie können aber über ihr Filialnetz gewaltig Stunk machen.“ Denn immerhin hätten sie binnen weniger Wochen fast acht Millionen Unterschriften gegen den Versandhandel mit Arzneimitteln gesammelt.

So gewaltig können der Lobbyismus und die Öffentlichkeitsarbeit der Apotheker aber eigentlich nicht sein, wenn selbst ein altgedienter Redakteur wie Thelen, der sich schon seit Jahren mit dem Gesundheitswesen beschäftigt, weder weiß, wie die umsatzstärkste Zeitschrift des Landes richtig heißt, noch dass Apotheken zwar (fast) alle das rote gotische A an der Fassade hängen haben – aber eben mitnichten Filialen sind.

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Dr. Benjamin Wessinger