Ein Jahr Erstattungsbeträge

GKV-Spitzenverband: 120 Millionen Euro Einsparungen

Berlin - 30.05.2013, 14:03 Uhr


Ein Jahr ist es her, dass der erste Erstattungsbetrag für ein neues Arzneimittel besiegelt wurde. Ticagrelor von AstraZeneca hatte als erstes Präparat das neue Verfahren der frühen Nutzenbewertung durchlaufen. Mittlerweile gibt es für 21 Arzneimittel Erstattungsbeträge. Der GKV-Spitzenverband zieht eine positive Zwischenbilanz. Er ist überzeugt: Die Verhandlungen laufen fair.

Von den 21 existierenden Erstattungsbeträgen wurden 17 zwischen GKV-Spitzenverband und Hersteller vereinbart und vier mangels einer solchen Einigung von der Schiedsstelle festgesetzt. Zudem wanderten zwei Medikamente, für die man keinen Zusatznutzen feststellen konnte, direkt in Festbetragsgruppen. Bei vier Präparaten entschieden die Hersteller, vom deutschen Markt zu gehen bzw. diesen gar nicht erst zu betreten.

Beim GKV-Spitzenverband sieht man im neuen AMNOG-Verfahren keinesfalls das Aus für Innovationen. Von 29 Arzneimitteln, für die der Gemeinsame Bundesausschuss einen Beschluss zur frühen Nutzenbewertung getroffen hat (ohne Orphan Drugs), hätten schließlich 17 einen Zusatznutzen bescheinigt bekommen – „eine tolle Sache“, meint der Vizevorsitzende des GKV-Spitzenverbands, Johann-Magnus von Stackelberg. Allerdings gilt dieser Zusatznutzen meist nur für Subgruppen – und nicht etwas für alle potenzielle Patienten. Dennoch freut sich Stackelberg, dass ein „Perspektivwechsel“ stattgefunden hat: „von den Gewinninteressen der Pharmaindustrie hin zu den Versorgungsinteressen der Patienten“. Für neue Arzneimittel mit einem Zusatznutzen für die Patienten erhielten die Pharmaunternehmen auch künftig deutlich mehr Geld – unliebsame Me-Toos würden hingegen nicht mehr besser bezahlt als vergleichbare Präparate.

Durch die 21 Erstattungsbeträge rechnet der GKV-Spitzenverband in den Jahren 2012 und 2013 mit Einsparungen in Höhe von insgesamt rund 120 Mio. Euro für die Beitragszahler. Das entspreche etwa 16 Prozent des Umsatzes dieser Arzneimittel. Stackelberg gefällt, dass die Erstattungsbeträge  in einer „interessanten Phase“ des  ökonomischen Lebenszyklus eines Arzneimittels zum Tragen kommen. Nämlich ein Jahr nach der Markteinführung – in der Zeit der Expansion, aber noch nicht in der Phase, da der Markt bereits richtig durchdrungen ist. Es kann also noch kräftig weiter gespart werden, so die Erwartung.

Stackelberg betonte überdies, dass bei der Verhandlung der Erstattungsbeträge der Zusatznutzen zentraler Dreh- und Angelpunkt sei. Der Zusatznutzen eines neuen Arzneimittels werde anhand der Kriterien Mortalität, Morbidität, Lebensqualität und Nebenwirkungen monetarisiert – diese in einer Gesamtschau betrachtet führen zu einem Zuschlag auf den Preis auf die zweckmäßige Vergleichstherapie. „Das ist die Logik des AMNOG“, betont Stackelberg, „wir halten uns sehr eng an die gesetzlichen Vorgaben“. Eine fixe Rechenformel gebe es nicht – vielmehr würde stets ein Einzelfall verhandelt. Der GKV-Vize will sich auch nicht sagen lassen, seinem Verband gehe es nur um Kostendämpfung. „Es ist nicht unser Ansporn, die Preise auf Teufel komm raus zu drücken, wir wollen faire Preise“, so Stackelberg. Um dies zu belegen, verweist er auf ein Arzneimittel, bei dem der GKV-Spitzenverband sich auf den Preis eingelassen habe, den der Hersteller vorgeschlagen habe – das HIV-Präparat Rilpivirin.

Bei aller Zufriedenheit: Ein Punkt zwickt den GKV-Spitzenverband doch noch – die technische Umsetzung der Erstattungsbeträge. Bekanntlich werden diese seit dem 1. Februar über die Apotheken abgewickelt. Allerdings nicht so, wie es sich die Kassen wünschen. Die prozentualen Margen der Apotheker und Großhändler werden auf Grundlage des ursprünglichen Listenpreises berechnet. Der GKV-Spitzenverband meint jedoch, richtige Basis für die Handelszuschläge wäre der Listenpreis abzüglich des ausgehandelten Rabatts – dabei hat er die Rückendeckung des Bundesgesundheitsministeriums. Allerdings räumt Stackelberg ein, dass er dieses Problem selbst erst spät erkannt habe. Nämlich erst nachdem sein Verband bereits die einschlägige Rahmenvereinbarung zur Umsetzung der Erstattungsbeträge mit den Herstellerverbänden unterzeichnet hat. In dieser geht auch die Kassenseite noch von den Listenpreisen als Basis aus. „In diesem Punkt ist der Rahmenvertrag falsch“ konstatiert Stackelberg. Er hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben, mit den Verhandlungspartnern zu einer gemeinsam getragenen Änderung zu kommen. Sollte dies allerdings nicht klappen, müsse der Gesetzgeber nachbessern. Auf diese im Rahmen der 3. AMG-Novelle bereits klar aufgestellte Forderung des GKV-Spitzenverbandes gibt es aber offensichtlich noch kein klares Signal aus der Politik. Den Rahmenvertrag kündigen will Stackelberg ebenfalls nicht – denn dann müsste dieser im Ganzen aufgelöst werden. Doch die Vereinbarung, so Stackelberg, enthalte auch viele gute Regelungen. So wird sich zeigen, ob der Streit am Ende noch vor Gericht ausgefochten wird.


Kirsten Sucker-Sket


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