Xenon

Kostspielige Narkose im Stuttgarter Tatort

Stuttgart - 27.05.2013, 11:00 Uhr


Mit Xenon wurden die Fahrer des Geldtransporters im gestrigen Tatort aus Stuttgart  außer Gefecht gesetzt, um den Raub der transportierten Gelddruckplatten zu ermöglichen. Mit dem Edelgas wählten die Täter zwar die verträglichste, aber auch die teuerste Form der Inhalationsnarkose.

Seit 2005 ist das Edelgas Xenon in Deutschland als Arzneimittel zugelassen. Aufgrund seiner pharmakologischen Eigenschaften wird es von Anästhesisten häufig als nahezu ideales Narkosemittel bezeichnet. Es ist farb- und geruchslos, nicht brennbar und im Gemisch mit anderen Gasen und Dämpfen nicht explosiv. Der Wirkmechanismus beruht auf einem Antagonismus am NMDA-, am AMPA- und am Kainatrezeptor Rezeptor. Xenon hat sowohl hypnotische als auch analgetische Effekte. Aufgrund des niedrigen Blut-Gas-Verteilungskoeffizienten wird das Gas rasch über die Lungen ausgeschieden und die Narkose ist gut steuerbar. Am Narkoseende dauert es nur ungefähr fünf Minuten, bis die Patienten aufwachen. Zudem belastet Xenon das Herz-Kreislauf-System deutlich weniger als andere Inhalationsnarkotika, weshalb es vor allem für Patienten mit hohem kardialem Risiko (wie die erwähnte Tante von Kommissar Bootz) eingesetzt wird. Allerdings ist die anästhesiologische Potenz gering. Der MAC-Wert – die Maßzahl für die Potenz eines Analgetikums, je niedriger desto potenter – liegt mit 71 Vol.-% im Vergleich zu anderen Inhalationsnarkotika ziemlich hoch (beispielswese Isofluran 1,2 Vol.-%, Sevofluran 6 Vol.%). MAC steht für minimale alveoläre Konzentration und ist die Konzentration, bei der 50 Prozent der Patienten keine Reaktion auf einen definierten Schmerzreiz mehr zeigen. Am Ende der Xenonnarkose kann es ähnlich wie unter Distickstoffmonoxid (Lachgas) zu einer Diffusionshypoxie kommen, daher muss es mit reinem Sauerstoff ausgewaschen werden. Dieses Risiko wurde von den Tatortgangstern billigend in Kauf genommen. Trotz seiner überzeugenden pharmakologischen Eigenschaften findet Xenon in der Praxis relativ wenig Anwendung. Grund hierfür ist die schlechte Verfügbarkeit und der, dadurch bedingte, hohe Preis.

Für das Objekt der Begierde im gestrigen Tatort, die Gelddruckplatten, hätte sich, wäre das Unterfangen geglückt, die Investition in das Edelgas aber vermutlich gelohnt. Allerdings wäre mit dem deutlich günstigeren und leichter zu beschaffenden Lachgas eine noch höhere Rendite erzielt worden. 


Julia Borsch