Arzneimitteltests in der DDR

Aufklärung erwünscht

Berlin - 15.05.2013, 16:30 Uhr


Die von den Grünen beantragte Aktuelle Stunde zu den zweifelhaften Arzneimitteltests in der ehemaligen DDR wird es vorerst nicht geben. Nicht aus inhaltlichen Gründen, wie es aus dem Büro von Biggi Bender heißt. Politisches Interesse an einer raschen Aufklärung besteht dennoch: Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Christoph Bergner, will ein Forschungsvorhaben der Charité finanziell unterstützen. Das Gesundheitsministerium hat seine Unterstützung angeboten.

Seit einiger Zeit steht Bergner nach Meldung des Bundesinnenministeriums mit dem Leiter des Berliner Instituts, Dr. Volker Hess, in Kontakt. An dessen Lehrstuhl wird bereits an einem Forschungsprojekt zu Medikamententests gearbeitet. „Aus Sicht der Bundesregierung besteht ein erhebliches Interesse an einer gründlichen Aufklärung des Sachverhalts“, erklärt Bergner. Zu diesem Zweck habe er dem Forschungsprojekt der Charité finanzielle Unterstützung zugesagt. „Ich gehe davon aus, dass sich auch die Bundes- und Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen ebenso wie der Verband forschender Arzneimittelhersteller, die Ärztekammern und etwaige Patientenvertreter an der Studie beteiligen werden.“

„Die betroffenen Menschen müssen Klarheit haben, was damals in der DDR mit ihnen geschehen ist“, sagte Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) dem Nachrichtenmagazin „Spiegel Online“. Er begrüße daher, dass das für die Aufarbeitung von DDR-Unrecht zuständige Bundesinnenministerium die Aufklärung unterstützen wolle. Das Bundesgesundheitsministerium werde „alle Möglichkeiten nutzen“, um die Aufklärung zu unterstützen – Gleiches erwarte er auch von der Pharmaindustrie. In einem zweiten Schritt müsse geklärt werden, wie etwaigen Opfern geholfen werden könne und ob ein Anspruch auf Schadensersatz durch beteiligte Pharmaunternehmen bestehe, erklärte der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktionen, Jens Spahn.

Der Verband forscher Arzneimittelhersteller hatte bereits am Montag bekundet, offen für eine wissenschaftliche Untersuchung der Vorgänge zu sein. Auch die im Spiegel-Artikel genannten Pharmaunternehmen äußerten sich inzwischen gegenüber DAZ.online. Sie alle gehen davon aus, dass – sofern klinische Studien in der ehemaligen DDR durchgeführt wurden –  geltende rechtliche oder anzuwendende internationale Standards eingehalten wurden. Dem „ambitionierten Vorhaben“ der wissenschaftlichen Projekte zur Aufklärung stehe man positiv gegenüber, erklärte Novartis – wegen der eigenen „hohen ethischen und moralischen Ansprüche“.

Sanofi bestätigte darüber hinaus, dass der Firmen-Vorläufer Hoechst zwischen 1985 und der Wiedervereinigung eine „kleine zweistellige Zahl“ klinischer Studien durchgeführt habe. Dabei sei die Wirksamkeit von neun Wirkstoffen untersucht worden: Ramipril, Ramipril in Kombination mit Piretanid, Ramipril in Kombination mit Felodipin, Cefotaxim, Pentoxifyllin, Glimepirid, Roxatidin, Buserelin sowie Insulin. Alle neun Wirkstoffe seien später – auf Basis aller Studien – zugelassen worden und würden noch heute eingesetzt.

„Unseren bisherigen Recherchen zufolge wurden alle Studien der Hoechst AG auf der Grundlage schriftlicher Verträge durchgeführt, in Westdeutschland von Ethikkommissionen geprüft sowie bewilligt und in der Deutschen Demokratischen Republik vom Ministerium für Gesundheitswesen genehmigt“, so Sanofi. Dabei seien viele der Studien Teil international durchgeführter Multicenter-Studien mit identischen Prüfprotokollen in allen Ländern gewesen – „und mussten damit den internationalen Standards der Durchführung klinischer Prüfungen entsprechen“. Studienärzte seien dazu verpflichtet worden, die Studienteilnehmer vorab über Zielsetzung der Studie und mögliche Risiken aufzuklären.


Juliane Ziegler