Gefälschtes Rezept

18.000-Euro-Retax rechtmäßig

Karlsruhe - 15.05.2013, 08:07 Uhr


Weil ein baden-württembergischer Apotheker Norditropin NordiFlex® an eine Kundin ausgab, obwohl das Rezept gefälscht war, bleibt er jetzt auf rund 18.000 Euro sitzen. Das hat das Sozialgericht Karlsruhe entschieden: Der Apotheker sei seinen gesteigerten Sorgfaltspflichten nicht nachkommen, weshalb die Krankenkasse zurecht retaxiert habe, so die Begründung der Richter.

Was war geschehen? An einem frühen Freitagnachmittag im April 2010 legte eine Kundin eine ärztliche Verordnung vom gleichen Tag über 20 Fertigspritzen Norditropin NordiFlex® 15 mg/1,5 ml N1 vor – ausgestellt auf ein im Januar 2002 geborenes Kind. Als Krankenkasse war die Rechtsvorgängerin der beklagten Kasse angegeben. Weil der Apotheker das Arzneimittel nicht vorrätig hatte, bestellt er es.  Am Montag darauf gab sein Personal die Injektionslösungen ab. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass es sich bei der belieferten Verordnung um eine Fälschung handelte. Im April des Folgejahres retaxierte die Krankenkasse unter Verweis auf die Fälschung den Gesamtbetrag von 18.130,12 Euro.

Dagegen erhob der Landesapothekerverband Baden-Württemberg für den Apotheker Einspruch und später Klage. Aber ohne Erfolg: Vorliegend sei ein Zahlungsanspruch nach § 3 Abs. 8 des gültigen Arzneiliefervertrages (ALV) ausgeschlossen, entschieden die Richter. Danach dürfen gefälschte Verordnungen oder Verordnungen auf missbräuchlich benutzten Verordnungsblättern nicht beliefert werden, wenn die Fälschung oder der Missbrauch bei Wahrung der erforderlichen Sorgfalt erkennbar war. Vorliegend habe der Kläger bei Herausgabe des Medikaments seine erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen, so die Richter, denn er hätte in die missbräuchliche Verwendung des Verordnungsblattes erkennen können und müssen.

Zwar gestand die Kammer dem Apotheker zu, dass er weder wegen der Position des Arztstempeleindrucks noch der Form der Kreuze in den Feldern „Gebühr frei“ und „aut idem“ auf eine missbräuchliche Verwendung hätte schließen müssen. Andere formale Mängel seien aber durchaus zu erkennen gewesen, wie die Tatsache, dass die Verordnung auf ein 2002 geborenes Kind, mit dem Versichertenstatus „1“ ausgestellt war – für ein Kind eines zahlenden Krankenversicherten hätte nämlich der Status mit „30001“ angegeben sein müssen. Auch die beiden angegebenen Betriebsstättennummern seien nicht identisch gewesen – eine war 7-stellig, die andere 9-stellig. Die Schreibweise der Krankenkasse sei ebenfalls nicht korrekt gewesen.

Letztlich hatte der Apotheker nach Auffassung der Richter in diesem Fall gesteigerte Sorgfaltspflichten: Wegen des hohen Wertes des verordneten Medikaments, weil der verordnende Arzt 60 km vom Wohnort der Patientin entfernt lag und weil weder Patientin noch Arzt dem Apotheker bekannt waren. Entscheidend aber deshalb, weil der im Arzneimittel enthaltende Wirkstoff einem hohem Missbrauchspotential unterliege. „Als Apotheker muss von ihm grundsätzlich erwartet werden können, dass er von der Missbrauchsgefahr bei Wachstumshormonen Kenntnis hat und bei der Herausgabe solcher Medikamente besondere Sorgfalt walten lässt“.

Der Kläger selbst hatte aus Sicht der Richter Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verordnung eingestanden, indem er die Existenz des Arztes recherchiert und dort einen erfolglos gebliebenen Anruf getätigt hatte. Übers Wochenende hätte er daher genügend Zeit gehabt, dem weiter nachzugehen, erklärten sie im Urteil. Dann hätten ihm „auch die formalen Unstimmigkeiten der Verordnung auffallen müssen“. Außerdem hätte er auch – wie die Landesapothekerkammer Baden-Württemberg in einem Rundschreiben empfohlen hatte – bis zur Klärung der Rechtmäßigkeit der Verordnung zunächst nur eine der verordneten 20 Packungen ausgeben können.

Sozialgericht Karlsruhe, Urteil vom 15. Januar 2013, Az. S 14 KR 562/12


Juliane Ziegler


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