Aut-idem Ausschluss im Rahmenvertrag

Unberechtigtes Misstrauensvotum gegenüber Heilberuflern?

Berlin - 12.03.2013, 10:34 Uhr


Ärzte und Apotheker haben durchaus ein waches Auge auf Arzneimittel, die wegen ihrer geringen therapeutischen Breite möglichst nicht ausgetauscht werden sollten, wenn ein Patient erst einmal auf sie eingestellt ist. Und sie scheuen in diesem Zusammenhang auch nicht den Regress oder Retaxationen. Dies jedenfalls entnimmt der Kassendienstleister GWQ ServicePlus einer Auswertung von Verordnungsdaten.

Deutscher Apothekerverband und GKV-Spitzenverband verhandeln derzeit eine Anpassung ihres Rahmenvertrages nach § 129 Abs. 2 SGB V. Man ist in Gesprächen über die Umsetzung der im Herbst letzten Jahres eingeführten „Kann-Regelung“, nach der bestimmte Arzneimittel von der generellen Substitutionspflicht ausgenommen werden können. Erst kürzlich hatten die Deutsche Epilepsievereinigung und die Deutsche Schmerzliga an Apotheker und Kassen appelliert, möglichst rasch eine Regelung zu finden. Die von ihnen vertretenen Patientengruppen gehören zu jenen, bei denen ein Arzneimittelaustausch besonders kritisch ist. Auch wenn die Organisationen einräumen, dass Ärzte und Apotheker bei gut eingestellten Patienten schon jetzt die Substitution verhindern können – sie setzen auf eine Regelung im Rahmenvertrag. Denn Ärzte scheuten zu sehr den Regress, um tatsächlich in allen kritischen Fällen ihr Aut-idem-Kreuz zu setzen – und Apotheker meldeten aus Furcht vor Retaxationen nur selten pharmazeutische Bedenken an.

Stimmt gar nicht – heißt es nun bei GWQ ServicePlus. Die Kassen haben ihrerseits große Sorge, dass die Liste der Wirkstoffe, die nicht mehr ausgetauscht werden dürften, ausufern und die Rabattverträge damit aushebeln könnte. Und so wollen sie aufzeigen, dass die Situation nicht so sehr im Argen liegt, wie es die Patientenorganisationen beschwören. Dazu wurden die von der GWQ erhobenen Verordnungs- und Abgabezahlen von Antiepileptika-Verordnungen genauer unter die Lupe genommen. Sie basieren auf Verordnungsdaten von rund 8 Millionen Versicherten verschiedener Krankenkassen, für die die GWQ Rabattverträge abgeschlossen hat. Es zeigte sich dem Unternehmen zufolge, dass nach dem Inkrafttreten des Rabattvertrags für das Antiepileptikum Levetiracetam zum 1. Juli 2012 nur 4.560 der zuvor 17.080 mit diesem Wirkstoff behandelten Patienten auf ein Generikum umgestellt wurden. Dies entspreche einer Quote von 26,7 Prozent. Mehr Klinikeinweisungen habe es ebenfalls nicht gegeben. Die Zahl der teil- bzw. vollstationären Behandlungen für diese Patientengruppen sei nach Beginn der Rabattverträge sogar leicht gesunken. Beim Wirkstoff Valproat mit Valproinsäure seien im Jahr 2012 sogar nur 14,4 Prozent der Patienten (2.792 von 19.445) umgestellt worden. Auch hier sei die Anzahl der behandlungsbedürftigen Vorfälle leicht gesunken. Aus GWQ-Sicht durchaus bemerkenswerte Zahlen. Denn grundsätzlich, so das Unternehmen, lägen die Umsetzungsquoten bei seinen Rabattverträgen bei 90 Prozent oder mehr.

Die Schlussfolgerung von Kassenseite ist schnell gezogen: Es gebe keinen objektiven Grund für pauschale Substitutionsverbote, weil Ärzte und Apotheker bei Rabattverträgen sorgfältig auf die Arzneimittelsicherheit achteten und die vorhandenen Instrumente konsequent einsetzten. Im Fall der Antiepileptika hätten in drei von vier Fällen die Ärzte durch das Aut-idem-Kreuz für das Austauschverbot gesorgt. In den übrigen Fällen zeichnete der Apotheker für den Verzicht auf das Rabattvertragsarzneimittel verantwortlich, indem er „pharmazeutische Bedenken“ vorbringe und entsprechend dokumentiere.

Alles bestens, so die GWQ: Die Rabattverträge sorgten so offenbar auch für eine verstärkte Kommunikation zwischen Heilberuflern und den häufig sehr gut informierten Patienten. „Das wäre eine positive Wirkung der Rabattverträge auf die konkrete Versorgungsqualität“. Zumindest könne keinesfalls per se das Gegenteil angenommen werden – und dies wäre für die GWQ die einzige nachvollziehbare Legitimation der Ausschlussliste. Der Kassendienstleister ist überzeugt: Die Einführung einer Liste würde mit wachsender Länge höchstens den wirtschaftlichen Interessen von Arzneimittelherstellern dienen. Überdies wäre sie ein indirektes – und angesichts der vorgelegten Daten unbegründetes – Misstrauensvotum gegenüber Ärzten und Apothekern, denen eine patientengerechte Verordnungs- und Abgabepraxis offenbar nicht zugetraut werde.


Kirsten Sucker-Sket


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