7. MLP Gesundheitsreport

Zu viel und doch zu wenig Zeit

Berlin - 23.01.2013, 13:35 Uhr


Trotz aller Probleme und Skandale sind die Deutschen mit ihrem Gesundheitssystem so zufrieden wie lange nicht mehr. Vier von fünf bewerten die Gesundheitsversorgung gut oder sehr gut. Gesetzlich Krankenversicherte beklagen jedoch lange Wartezeiten – und Ärzte, dass sie nicht genügend Zeit für ihre Patienten haben.

Zuletzt war die Zufriedenheit der Bevölkerung vor 18 Jahren so hoch wie heute: 82 Prozent der über 2.000 Befragten gaben im Jahr 2012 an, das Gesundheitssystem und die Gesundheitsversorgung in Deutschland sei (sehr) gut. Lediglich 16 Prozent waren weniger oder gar nicht zufrieden. Auch die Sorgen, im Krankheitsfall eine notwendige Behandlung vom Arzt aus Kostengründen nicht verschrieben zu bekommen, hat weiter abgenommen. Befürchteten dies im Jahr 2010 noch 46 Prozent der gesetzlich Krankenversicherten, waren es in 2012 nur noch 34 Prozent.

Problematisch schätzen allerdings immer mehr den Faktor Zeit ein: Für die einen gibt es davon zu viel, für die anderen zu wenig. Die Patienten klagen vermehrt (52%) darüber, dass sie teilweise sehr lange auf einen Termin beim Arzt warten müssen. Hat man dann einen Termin, muss auch im Wartezimmer häufig noch sehr lange gewartet werden (64%). Und immer mehr Ärzte (49%) erklären, dass sie sich nicht genügend Zeit für ihre Patienten nehmen können. Insbesondere den Krankenhausärzten mangelt es nach eigenem Empfinden an Zeit (59%).

Zunehmend macht sich auch die Sorge um die ambulante Versorgung in strukturschwächeren Regionen breit. „Es gibt nicht nur einen Ärzte-, sondern auch einen Pflegekräftemangel“, betonte in diesem Zusammenhang die Instituts-Geschäftsführerin Prof. Dr. Renate Köcher. Denn nicht nur 72 Prozent der niedergelassenen Ärzte rechnen mit Schwierigkeiten beim Finden eines Nachfolgers. Im Pflegebereich können offene Stellen bereits heute nur schwer (58%) besetzt werden. 65 Prozent der Befragten gehen außerdem davon aus, dass dies in den nächsten Jahren noch schwerer werden wird.

Die insgesamt aber sehr gute Einschätzung des Gesundheitssystems spiegelt sich auch in abnehmender Kritik an der Regierung: Während 2011 noch 55 Prozent keinen guten Eindruck von der Gesundheitspolitik hatten, gaben dies im Jahr 2012 nur noch 42 Prozent der Befragten an. Zur Begründung führte Köcher an, dass es derzeit keine schwerwiegenden politischen Reformdiskussionen gebe, weshalb die Sorgen in der Bevölkerung nachließen. Dementsprechend sank auch die Forderung in der Bevölkerung nach einer umfassenden Reformierung des Gesundheitssystems – von 65 Prozent in 2009 auf 47 Prozent in 2012.


Juliane Ziegler