Viel Einsatz für ein überholtes Instrument?

IQWiG bewertet Kosten-Nutzen-Relation von Antidepressiva

Köln - 20.11.2012, 09:34 Uhr


Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat den Vorbericht seiner ersten Kosten-Nutzen-Bewertung vorgelegt. Er betrifft die Wirkstoffe Venlafaxin, Duloxetin, Bupropion und Mirtazapin zur Behandlung schwerer und mittelschwerer Depressionen. Ergebnis: Diese Medikamente haben im Verhältnis zu ihrem Nutzen deutlich höhere Preise als andere. Konsequenzen hat die Bewertung derzeit keine – das Instrument ist vom AMNOG überholt worden.

Das IQWiG hat die Kosten-Nutzen-Relation von Venlafaxin, Duloxetin, Bupropion und Mirtazapin im Vergleich zu weiteren derzeit verfügbaren Wirkstoffen und zu Placebo ermittelt – dazu zogen sie die „Methode der Effizienzgrenze“ heran, die sich das IQWiG zuvor über zwei Jahre und mit einigen Mühen für das KNB-Verfahren erarbeitet hatte. Nun verkündet das IQWiG, die gewählte Methode sei „geeignet, der Selbstverwaltung fundierte Informationen über den angemessenen Betrag zu liefern, zu dem die gesetzlichen Krankenkassen ein Medikament erstatten“. Der Methodik entsprechend wurden in einem ersten Schritt den Nutzen der Medikamente bewertet – differenziert nach Zielkriterien, den patientenrelevanten Endpunkten.

Sodann kam die „Methode der Effizienzgrenze“ zum Einsatz. Die Ergebnisse der Nutzenbewertung wurden in dieses Modell ebenso eingespeist wie Daten für die Behandlungskosten. Kosten und Nutzen für jedes Arzneimittel wurden dann über den vorher festgelegten Zeithorizont einander gegenübergestellt. Mit dieser Methode soll sich ein Preis oder Preiskorridor berechnen lassen, zu dem das Medikament als „effizient“ gelten kann. Allerdings, so das IQWiG, sei es aufgrund fehlender Daten nicht möglich gewesen, für alle Wirkstoffe und alle patientenrelevanten Endpunkte (z. B. Lebensqualität) eine vollständige KNB durchzuführen, deren Ergebnisse in einer Effizienzgrenze darzustellen und um den Zusatznutzen bereinigte Preise abzuleiten.

Dennoch gibt es ein Ergebnis: Trotz der zum Teil erheblichen Preisdifferenzen sieht das IQWiG das Einsparpotenzial bezogen auf das gesamte Gesundheitssystem bei nur wenigen Prozent. Das liege vor allem daran, dass die Arzneimittel bei der Behandlung der Depression nur einen geringen Anteil an den Gesamtausgaben haben. Zu Buche schlagen hier vor allem Klinikaufenthalte. Zudem würden die Medikamente, bei denen die Differenz zwischen dem aktuellen und dem zusatznutzenbereinigten Erstattungspreis am größten ausfällt, vergleichsweise selten verordnet.

Nun ist fraglich, was mit den Erkenntnissen geschehen wird. Durch das AMNOG hat sich vieles grundlegend geändert. Der G-BA kann derzeit keine unmittelbaren Entscheidungen auf KNB-Basis fällen. Nach alter Gesetzeslage hätte er auf ihrer Grundlage einen „Höchstbetrag“ für Arzneimittel festlegen sollen. Einen zweiten KNB-Auftrag zu Clopidogrel hatte der G-BA im Oktober 2012 zurückgezogen. IQWiG-Leiter Jürgen Windeler erklärt, warum das IQWiG bei den Antidepressiva am Ball blieb: „Es war uns wichtig, zumindest einen der beiden Aufträge abzuschließen. Denn wir wollten testen, ob die von uns favorisierte Methode der Effizienzgrenze tauglich ist und zu belastbaren Ergebnissen führt, die für die Selbstverwaltung hilfreich sein können“, so Windeler.

Und der Test sei erfolgreich gewesen. Es gebe ein klares Ergebnis: „Das Nutzen-Kosten-Verhältnis der vier Wirkstoffe ist sehr unterschiedlich und theoretisch müssten die Preise zum Teil erheblich sinken, um im Verhältnis zu den Therapiealternativen effizient zu sein, wie es in der Sprache der Gesundheitsökonomie heißt“, sagt Andreas Gerber-Grote, Leiter des Ressorts Gesundheitsökonomie im IQWiG.

Windeler meint, die Ergebnisse von KNB könnten am Ende doch noch „ein wichtiger Baustein sein, wenn es darum geht, über Preise zu verhandeln und Entscheidungen über Erstattungen zu treffen“. Nötig sei nun allerdings eine Diskussion darüber, welchen Stellenwert dieser Baustein für Entscheidungen im Gesundheitssystem haben soll – und wie viel Aufwand dieser wert ist. „Denn auch bei unseren Berichten sollten Kosten und Nutzen in einem angemessenen Verhältnis stehen“, so Windeler.

Zu dem jetzt veröffentlichten Vorbericht können interessierte Personen und Institutionen bis zum 17. Dezember Stellungnahmen abgeben. Einen Überblick über Hintergrund, Vorgehensweise und weitere Ergebnisse des Vorberichts gibt folgende Kurzfassung.


Kirsten Sucker-Sket