Korrupte Vertragsärzte

Ausschuss diskutiert Konsequenzen des BGH-Urteils

Berlin - 24.10.2012, 14:03 Uhr


Der Gesundheitsausschuss des Bundestages hat sich heute mit den politischen Folgerungen aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs zur (Nicht-)Bestechlichkeit von Kassenärzten wegen Zuwendungen der Pharmaindustrie befasst. In der nicht öffentlichen Sitzung diskutierten die Abgeordneten mit Vertretern des BGH, der Staatsanwaltschaft, der Polizei, der Kassen und Verbraucherschützer.

Der BGH hatte im Juni entschieden, dass sich Vertragsärzte nach geltendem Recht nicht strafbar machen, wenn sie von Pharmaunternehmen Zuwendungen – etwa Geldleistungen, oder Aufwandentschädigungen für Anwendungsbeobachtungen – annehmen und im Gegenzug deren Präparate bevorzugt verordnen. Diese Entscheidung ließ viele unbefriedigt zurück. Auch in der Politik ist man sich offenbar noch nicht im Klaren, ob und welche Konsequenzen das Urteil erfordert. Heute wurden erneut Argumente gesammelt.

BGH-Richter Bertram Schmitt betonte, es sei nun Sache des Gesetzgebers, zu entscheiden, wie es weitergehen solle. Insbesondere müsse er sich die Frage stellen, ob die ungleiche Behandlung von angestellten und niedergelassenen Ärzten im Hinblick auf die Strafbarkeit der Vorteilsnahme gerechtfertigt sei. Denn angestellte Ärzte machen sich bei der Annahme von Zuwendungen anders als niedergelassene Ärzte strafbar. Als Jurist plädiere er grundsätzlich dafür, gleiche Sachverhalte auch gleich zu behandeln.

Auch die Kassen fordern, die Strafbarkeitslücke zu schließen: „Es gilt nun, mit der Schaffung einer neuen Strafvorschrift ein entgegengesetztes Signal auszusenden“, sagte GKV-Chefin Doris Pfeiffer. Sie beklagte, dass die bestehenden Regelungen unzureichend seien. So habe sich auch § 128 SGB V, der die unzulässige Zusammenarbeit zwischen Leistungserbringern und Vertragsärzten sanktioniere, als „stumpfes Schwert“ erwiesen. Die Krankenkassen seien nicht in der Lage, „Beweise für korruptives Verhalten unmittelbar aus den Abrechnungen zu entnehmen“, so Pfeiffer. Es komme daher oft gar nicht erst zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft.

Alexander Badle von der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt/M. betonte, dass es hier um einen Markt gehe, „in dem jedes Jahr viele Milliarden Euro umgesetzt werden“. Das Strafrecht sei nur bedingt geeignet, in diesen Markt regulierend einzugreifen. Daher müsse jede gesetzliche Neuregelung auch daraufhin überprüft werden, ob sie in der Praxis umsetzbar sei. Badle wies ferner darauf hin, dass die aktuelle Diskussion über Korruption im Gesundheitswesen in der Pharmaindustrie eine Alarmstimmung ausgelöst habe. Hier versuche man den Fehlentwicklungen bei Vermarktungsstrategien durch rechtliche Schulungen für Pharmareferenten und Verhaltenskodizes gegenzusteuern. Damit leiste die Pharmaindustrie „einen wichtigen Beitrag zur Lösung der benannten Probleme“, so Badle.

Jörg Stefan Engelhard vom Landeskriminalamt Berlin hält es für denkbar, auch mit ordnungsrechtlichen Maßnahmen gegen korrupte Vertragsärzte vorzugehen. Es reiche jedoch nicht aus, entsprechende rechtliche Bestimmungen zu schaffen. Die für deren Durchsetzung zuständigen Kassenärztlichen Vereinigungen und Ärztekammern müssten auch entsprechend personell ausgestattet werden, betonte Engelhard. Andernfalls stießen diese Einrichtungen bei der Strafverfolgung schnell an ihre Grenzen.

Dieter Lang vom Verbraucherzentrale Bundesverband verwies auf das generell besorgniserregende Ausmaß der Korruption im Gesundheitswesen. Diese habe „weitreichende Auswirkungen auf Versicherte und Patienten“. Der vzbv befürworte daher alle Maßnahmen, die geeignet seien, die Korruption einzudämmen.


Kirsten Sucker-Sket


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