Grippeimpfstoffe

Impfstoffversorgung bleibt problematisch

Berlin/Hamburg - 16.10.2012, 15:36 Uhr


Trotzdem seit letztem Donnerstag der Markt für Grippeimpfstoffe in Hamburg und Schleswig-Holstein geöffnet ist, kann von einer entspannten Situation nicht die Rede sein. Auch Impfstoffe anderer Hersteller sind rar geworden. Und die von Novartis Vaccines angebotenen Ersatzimpfstoffe haben ebenfalls ihre Tücken: Begripal mit Kanüle ist nicht mehr lieferbar, Fluad noch nicht und Optaflu wollen viele Impfwillige nicht.

Es ist durchaus verständlich, dass die Konkurrenz von Novartis Vaccines, dem Ausschreibungsgewinner in Hamburg, Schleswig-Holstein und Bayern, die Grippeimpfstoffproduktion zurückgefahren hat. Die Firmen wollen schließlich nicht auf den Impfstoffen sitzen bleiben. Doch in den drei Bundesländern wäre man froh, wenn die Hersteller mehr bieten könnten. Der Markt ist nach den langwierigen und noch immer nicht überwundenen Anlaufschwierigkeiten von Novartis vorläufig freigegeben – die Ärzte können auch die Vakzine anderer Unternehmen verimpfen – wenn sie sie denn in ausreichender Menge bekämen. Doch die Lieferung anderer Hersteller läuft auch nur tröpfchenweise. Solange Unternehmen wie GSK, Sanofi Pasteur oder Abbott damit rechnen müssen, dass Novartis doch noch liefern darf, ist kaum damit zu rechnen, dass sie ihre Produktion wieder steigern.

Und so sind nach Einschätzung von Dr. Jörn Graue, Vorsitzender des Hamburger Apothekervereins, bislang bestenfalls 25 Prozent der benötigten Impfdosen im norddeutschen Markt gelandet. Novartis wurde kürzlich mit der Aussage zitiert, schon „98 Prozent“ der Bestellungen nach Hamburg und Schleswig-Holstein ausgeliefert zu haben – insgesamt mehr als 200.000 Dosen. Es fragt sich, wovon 98 Prozent? Zumal die Ärzte davon ausgehen, dass in Hamburg und Schleswig-Holstein 500.000 Impfdosen benötigt werden.  

Zur Verfügung steht derzeit der Novartis-Impfstoff Optaflu. Doch dieser ist nicht der Favorit der Ärzte und Patienten im Norden und könnte sich zum Ladenhüter in den Praxen entwickeln. Graue spricht von einer „psychologischen Barriere“ – denn in den Medien wurde Optaflu mit dem Verdacht in Verbindung gebracht, krebserregend zu sein. Auch die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein betont, die Ärzte seien „selbstverständlich berechtigt“, Impfstoffe nicht zu akzeptieren, gegen die sie medizinische Vorbehalte haben. Die Kassen hätten schriftlich zugesichert, dass alle Impfstoffverordnungen über Sprechstundenbedarf bis zur Verfügbarkeit von Begripal ohne Kanüle nicht zu Regressen führen. Auch Graue bestätigt, dass die Kassen zugesagt haben, ein etwaiger Verwurf nicht verbrauchter Impfstoffe werde weder Ärzten noch Apotheken angelastet.

Derweil wird auch die Politik auf das Problem aufmerksam. Der CDU-Abgeordnete der Hamburgischen Bürgerschaft Hjalmar Stemmann hat letzten Freitag in der Senatskanzlei eine Schriftliche Kleine Anfrage zum Impfchaos in Hamburg eingereicht. Ihn machte stutzig, dass die Aufsicht führende Gesundheitsbehörde bislang nicht öffentlich zu den Problemen Stellung genommen hat. Gleich 19 Fragen will er beantwortet wissen. Wann erlangte die Behörde Kenntnis von den Lieferengpässen? Warum konnte Novartis eigentlich keine ausreichende Produktion von Begripal ohne Kanüle sicherstellen? Wie viele Impfdosen befinden sich aktuell in Hamburg? Wie bewertet der Senat die Verträglichkeit und Wirksamkeit der Ersatzimpfstoffe von Novartis? Wie will der Senat bzw. die zuständige Behörde künftig gewährleisten, dass die Verträge von den Pharmaunternehmen eingehalten werden? Man darf gespannt sein, ob die Antworten Aufschluss bringen.

Für Bork Bretthauer, Geschäftsführer von Pro Generika, zeigen die Wirren rund um die Impfstoffversorgung vor allem eines: „Die Rabattverträge der Krankenkassen setzen die falschen Anreize, weil sie ausschließlich auf den niedrigsten Preis setzen". Gerade bei komplexen Herstellungsprozessen, wie sie etwa bei Impfstoffen zur Anwendung kommen, sei eine Vielfalt der Anbieter umso wichtiger. Doch Rabattverträge führten grundsätzlich zur Marktkonzentration auf der Herstellerseite. 


Kirsten Sucker-Sket