Video-Apothekerin Kossendey

"Die Apothekenbetriebsordnung boykottieren!"

Wiefelstede - 03.09.2012, 11:48 Uhr


Apothekerin Ann-Katrin Kossendey, Apothekerin aus Wiefelstede, bekannt durch ihre engagierten Videos zu berufspolitischen Themen („25-Cent-Video“), fordert in einem offenen Brief an Magdalene Linz, Kammerpräsidentin von Niedersachsen, auf, sich dem Boykott der Umsetzung der neuen Apothekenbetriebsordnung anzuschließen, wie es bereits Jens Dobbert, Kammerpräsident von Brandenburg, angekündigt hat.

Wie Kossendey in ihrem Brief ausführt, mahnt sie außerdem eine konsequent geschlossen auftretende Standesführung an. Es müssten klare Forderungen an die Politik gestellt werden, um Gehör zu finden, so Kossendey: „Die Lage ist für uns an der Basis so ernst, dass wir uns mit den bisherigen Maßnahmen der Standesvertreter nicht zufrieden geben. Boykottieren auch Sie die neue ApBetrO und setzen Sie so ein deutliches Zeichen für die inhabergeführte Apotheke!“ Die Standespolitiker sollten der Politik verdeutlichen: „Solange wir nicht angemessen honoriert werden und uns eine verlässliche Planungssicherheit gegeben wird, wird die neue ApBetrO nicht umgesetzt!“

Nachfolgend der offene Brief im Wortlaut:

Sehr geehrte Frau Linz, 

da ich Sie als Kammerpräsidentin der Apothekerkammer Niedersachsen schätze, schreibe ich Ihnen diesen offenen Brief.
Ich habe Ihr Interview mit Jens Heitmann gelesen und stimme Ihnen in einigen Punkten zu, in anderen allerdings nicht.
„Ein Streik sei kontraproduktiv“, ja vielleicht, aber nicht, weil diese drastische Maßnahme nicht angebracht sei, sondern weil sich in der Basis das gleiche Leid widerspiegelt wie in unseren Standesvertretungen. Es gibt keine Geschlossenheit und keinen Willen, sich gemeinsam für die gleichen Ziele einzusetzen. Und weil vermutlich mal wieder nur ein Teil der Apotheker und Apothekerinnen einen Streik unterstützen würden, wäre das desolate Ergebnis kontraproduktiv. Aus diesem Grund wird es auch höchste Zeit, dass unsere Standesvertreter handeln. Ich fordere Sie hiermit auf, dem Kammerpräsidenten von Brandenburg, Jens Dobbert, zu folgen und die neue ApBetrO zu boykottieren. Das ist ein guter Schritt in die richtige Richtung!
Wir sind ein bestens ausgebildeter, hoch qualifizierter Berufsstand, der nun ohne Anhebung unserer Honorare die neue ApBetrO umsetzen soll, um die ohnehin schon hohe Qualität in Herstellung und Abgabe von Arzneimitteln noch mehr zu steigern? Das ist aberwitzig! Uns wird eine Überbürokratisierung aufgedrückt, deren Sinn ohnehin sehr fragwürdig ist, ohne auch nur über eine entsprechende Entlohnung nachzudenken. Und bitte verschonen Sie uns an der Basis mit der Floskel „Die neue ApBetrO ist auch eine Chance!“ Eine Chance für wen? Und wofür? Noch schneller in den Ruin getrieben zu werden, dafür aber mit detaillierter Dokumentation?
Liebe Frau Linz, warum glauben Sie, haben wir bei den Politikern, den Journalisten und auch der Bevölkerung ein so schlechtes Ansehen? Warum werden wir in Verhandlungen nicht ernst genommen? Weil uns und unseren Standesvertretern seit Jahren das Selbstbewusstsein fehlt! Wo ist das sichere Auftreten, das unserem Berufsstand gebührt? Wir sind die Arzneimittelexperten, da gibt es keine Diskussion. Wenn wir uns selber als austauschbar darstellen, wird es uns auch bald nicht mehr geben. Wie können Sie auf die Frage des Journalisten Heitmann, dass die Beratung ja so schlecht wäre in Apotheken, antworten mit „Ja, aber es wird besser“? Wie viele Ärzte stellen Fehldiagnosen, verordnen falsche Dosierungen oder erklären dem Patienten die Einnahme falsch? Das passiert, wir sind alle nur Menschen, aber kein Standesvertreter der Ärzte würde jemals öffentlich äußern, dass die Arbeit der Ärzte auch mal fehlerhaft sein könne! Wir wissen alle, was bei Testkäufen fingiert wird, um uns schlecht dastehen zu lassen. Das ist eine Verunglimpfung der guten Beratungsleistung, die jeden Tag, leider kostenlos, in den Apotheken Deutschlands erbracht wird!
Liebe Frau Linz, was wir jetzt, in diesen für sehr viele Kolleginnen und Kollegen existenzbedrohenden Zeiten brauchen, ist eine konsequent geschlossen auftretende Standesvertretung! Und es müssen klare Forderungen an die Politik gestellt werden, um Gehör zu finden und diese unerträgliche Situation für uns Apotheker und Apothekerinnen erfolgreich aufzulösen. Die Lage ist für uns an der Basis so ernst, dass wir uns mit den bisherigen Maßnahmen der Standesvertreter nicht zufrieden geben.

Boykottieren auch Sie die neue ApBetrO und setzen Sie so ein deutliches Zeichen für die inhabergeführte Apotheke!

Gerade jetzt wäre eine deutlich bessere Zusammenarbeit mit der Basis wünschenswert. Wir werden von der ABDA aufgefordert, die Arbeit, die die ABDA durch unsere Beiträge bezahlt bekommt, zu unterstützen und politisch tätig zu werden. Wenn es dann kreative Ideen gibt, werden diese nicht gemeinsam weiterentwickelt. Warum verbreitet die Apothekerkammer Niedersachsen nicht wie andere Apothekerkammern Deutschlands meine Videos (Kossendeys Videothek auf You tube)? Es geht hier nicht darum, wer welche Idee hat, wer damit mehr Erfolg hat, sondern es geht um das gemeinsame Ziel, die Bevölkerung zu erreichen und die Presse auf unsere Problematik aufmerksam zu machen. Und da kann man dann auch mal Wege akzeptieren, die ungewöhnlich sind.

Sie haben mir keine Zusammenarbeit angeboten, sondern ich sollte lediglich meine Ideen weitergeben – wozu? Damit sie in der nächsten Schublade landen?

Was ist mit der Posteraktion meiner Kolleginnen und Kollegen? Natürlich ist ein solcher Protest nicht für jeden die optimale Art, sich und den Berufsstand zu präsentieren (obwohl man nicht mehr sieht als an jedem Nord- und Ostseestrand), aber es hat die gewünschte Aufmerksamkeit gebracht, und es geht gerade noch weiter. Neue Zeiten und härtere Verhandlungen erfordern auch ungewöhnlichere Methoden. Jeder, der die Poster in der Apotheke sieht, spricht uns an, und man kann die Menschen gezielt informieren.

Auf die Poster der ABDA hat mich in den letzten Jahren nie jemand angesprochen. Hier engagieren sich Apothekerinnen und Apotheker ehrenamtlich für ihren Berufsstand und sind mutig genug, neue Wege zu gehen, da uns die alten Pfade allesamt in diese desaströse Sackgasse geführt haben.

Liebe Frau Linz, es ist an der Zeit, selbstbewusst der Politik, der Presse und auch der ABDA entgegenzutreten! Zeigen Sie, dass Sie hinter uns Apothekerinnen und Apothekern an der Basis stehen und erheben Sie laut das Wort: Solange wir nicht angemessen honoriert werden und uns eine verlässliche Planungssicherheit gegeben wird, wird die neue ApBetrO nicht umgesetzt!

Herzliche Grüße aus Wiefelstede, Ann-Katrin Kossendey


Peter Ditzel