Darmkrebs

Chemokin-Rezeptoren ermöglichen Metastasierung

Freiburg - 24.07.2012, 09:31 Uhr


90 Prozent aller Krebspatienten sterben heute nicht mehr am ursprünglichen Tumor, sondern an Metastasen. Diese entstehen, wenn Tumorzellen über die Blutbahn in andere Organe „auswandern“. Wissenschaftler aus München und Zürich haben jetzt am Beispiel von Darmkrebs herausgefunden, mit welchem Trick die Tumorzellen aus den Blutgefäßen zurück ins Gewebe gelangen.

Sie produzieren Signalproteine, mit denen sie die Arterienwände durchlässig machen – damit steht ihnen der Weg in ein anderes Organ offen.

Dazu senden die Tumorzellen bestimmte Proteine aus, die Chemokine. Im Fall der metastasierenden Kolonkarzinom-Zellen ist dies das Chemokin CCL2. Die CCL2-Chemokine docken an die Endothelzellen der Blutgefäße an und aktivieren dort den CCR2-Rezeptor. Dadurch ziehen sich die Endothelzellen zusammen – und die Tumorzellen können durch die Gefäßwand schlüpfen. Damit nutzen die Tumorzellen eine Art Täuschungsmanöver: Sie überrumpeln die Endothelzelle mit einem Signal, das eigentlich von gesunden Zellen verwendet wird.

Bisher hatte die Forschung sich vor allem auf die Rolle von Fresszellen, den sogenannten Makrophagen konzentriert, die von den Chemokinen der Tumore angelockt werden. Mit der Rolle von Chemokin-Rezeptoren auf Endothelzellen wurde jetzt ein neuer Ansatz für mögliche Krebstherapien gefunden. Eine Messung der Chemokin-Menge lässt möglicherweise direkte Schlüsse zu, wie wahrscheinlich ein Primärtumor in andere Organe des Patienten streuen wird, und ermöglicht so vielleicht die Vorhersage des Metastasierungsrisikos. Außerdem ist die Blockierung des Chemokin-Rezeptors CCR2 auf den Endothelzellen ein neuer Ansatz, um sowohl vor als auch nach einer Operation eine Metastasierung zu verhindern.

Als Modell dienten den Wissenschaftlern Darmkrebsgewebe sowie Darmkrebs-Zelllinien von Mäusen und Menschen. Die Forscher wollen nun ihre Erkenntnisse noch weiter vertiefen und die Übertragbarkeit des neuen Konzepts auf andere Krebsarten prüfen.

Literatur: Wolf, M., et al.: Cancer Cell 2012;22(1):91-105, Online: doi:10.1016/j.ccr.2012.05.023


Dr. Bettina Hellwig