EU-Wachstumsgipfel

VAD: Pharmaindustrie braucht keinen Rettungsschirm

Berlin - 27.06.2012, 10:36 Uhr


Der Verband der Arzneimittel-Importeure Deutschlands hält die Forderungen der Pharmaindustrie im Vorfeld des EU-Gipfels für „unethisch“: Sie wolle die aktuelle Krise in Griechenland für eigene, industriepolitische Zwecke nutzen, erklärt der VAD-Vorstandsvorsitzende Edwin Kohl in einem Schreiben an die Staats- und Regierungschefs und Gesundheitsminister.

Der Präsident des europäischen Pharmaverbandes EFPIA Sir Andrew Witty fordere im Vorfeld des EU-Gipfels offenbar einen Rettungsschirm für die Pharmaindustrie, schreibt Kohl. Witty suggeriere, mit hohen Investitionen in Forschung und Entwicklung in Europa könne kein Geld mehr verdient werden und der europäische Standort sei in Gefahr. Aktuelle Konzernbilanzen relevanter Marktteilnehmer zeigten jedoch etwas anderes: So habe GlaxoSmithKline, deren CEO der EFPIA-Präsident Witty ist, im Jahr 2011 eine „satte“ Umsatzrendite – also berechnet nach den Aufwendungen für Forschung und Entwicklung – von 28,5 Prozent erwirtschaftet. Im Vergleich dazu konnte der ebenfalls erheblich auf Innovation angewiesene Volkswagen-Konzern im gleichen Geschäftsjahr nur 7,1 Prozent verdienen.

Griechenland befindet sich laut Kohl derzeit in einer „Sondersituation“. Das maßgebliche Problem sei nicht der Export von Arzneimitteln und damit ein Produktmangel am Markt. Vielmehr müssten griechische Apotheken bereits auf Barzahlungen ihrer Kunden bestehen, weil die Versicherungsträger zahlungsunfähig seien. „Die Krankenversicherer als Kostenträger schulden den Lieferanten für medizinisches Material etwa zwei Milliarden Euro“, habe eine Athener Zeitung gemeldet. Sollten dennoch Hilfslieferungen einzelner Medikamente nach Griechenland notwendig werden, sollten diese nach Auffassung des VAD weder in Referenzpreismodelle einbezogen werden, noch Gegenstand von Re- und Parallelimporten sein können.

Die kurzfristigen Maßnahmen, die die EFPIA einfordert, hält Kohl für „wenig konstruktiv“. So auch den Vorschlag, dass Länder, die sich verpflichtet haben, ihre Finanzen wieder in Ordnung zu bringen, vorübergehend die Wiederausfuhr von Arzneimitteln verbieten können. Denn eine Wachstumswende, wie sie auf dem EU-Wachstumsgipfel besprochen werden soll, könne nie durch kurzfristige Aktionen erzielt werden, die „funktionierendes EU-Recht aufheben und gleichzeitig einen der europäischen Grundsätze – den freien Warenverkehr – beschränken“. Und das Ziel von Wettbewerb sei einerseits die Belohnung von Innovationen, mittelfristig aber auch die Reduzierung der Preise in Richtung der Produktionskosten. „Es gibt keinen Anlass, die Pharmaindustrie von diesen Mechanismen auszunehmen“, schreibt Kohl.


Juliane Ziegler


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