Kleine Anfrage der SPD

Sucht im Alter: Trinkende Männer, sedierte Frauen

Berlin - 01.06.2012, 18:20 Uhr


Pflegeheime sind Orte der Sucht, Männer trinken zu viel, Frauen schlucken zu viele Pillen – die SPD-Bundestagsfraktion hält die Antwort der Bundesregierung auf ihre Kleine Anfrage zum Thema Sucht im Alter für alarmierend. Die vorliegenden Zahlen zeigten „Untätigkeit und Desinteresse der Bundesregierung“, so die drogenpolitische Sprecherin Angelika Graf (SPD).

Die Abhängigkeit von Medikamenten stellt der Bundesdrogenbericht (2009) als eine „typisch weibliche“ Suchterkrankung heraus. Als Gründe hierfür nennt die Bundesregierung, dass Frauen häufiger zum Arzt gehen und daher generell eher Medikamente einnehmen. Zudem nehme die Abhängigkeit von Schlaf- und Beruhigungsmitteln im Alter zu. Außerdem seien Frauen aufgrund ihrer höheren Lebenserwartung ab einem gewissen Alter zahlenmäßig überrepräsentiert.

Einen riskanten Alkoholkonsum haben ungefähr gleich viele Männer wie Frauen in der Altersspanne zwischen 60 und 69 – doch alkoholabhängig sind meistens Männer. Die Bundesregierung beruft sich hierbei auf Daten des Robert Koch-Instituts und des Epidemiologischen Suchtsurveys (ESA): Demnach trinken circa vier Prozent der Männer und drei Prozent der Frauen zwischen 60 und 69 chronisch zu viel. Abhängig sind in der Altersgruppe der 60 bis 64-Jährigen dagegen fast sieben Mal mehr Männer als Frauen (5,4 Prozent der Männer /0,8 Prozent der Frauen).

Besonders in Pflegeheimen spielt das Thema Sucht im Alter eine zunehmende Rolle: Im Rahmen einer repräsentativen Befragung zur inadäquaten Medikation in Pflegeheimen („Priscus-Liste“) stellte sich nach Angaben der Bundesregierung heraus, dass knapp 80 Prozent der Pflegeeinrichtungen berichten, dass es bei ihnen Bewohner mit Suchtproblemen gibt. Circa sieben Prozent der stationär betreuten Patienten sei nachweislich medikamentenabhängig – insbesondere von Benzodiazepinen und anderen Psychopharmaka.

Für die SPD-Bundestagsfraktion offenbart sich in der Antwort der Bundesregierung „Desinteresse und Untätigkeit“. Die drogenpolitische Sprecherin der Partei, Angelika Graf, erklärte: „Die Antwort der Bundesregierung ist mit beunruhigenden Informationen gespickt. Wir wussten, dass bei circa ein bis zwei Millionen Menschen über 60 Jahren ein problematischer Gebrauch mit Medikamenten vorliegt, doch die Zuspitzung in Pflegeeinrichtungen kombiniert mit der Alkoholsucht muss uns alarmieren“. Darüber hinaus kritisiert Graf die Bundesdrogenbeauftragte, Mechthild Dyckmans (FDP). Diese erkläre „voller Stolz“ das Thema Sucht im Alter zum Schwerpunkt ihrer Arbeit, stelle aber keine eigenen finanziellen Mittel für diesen Bereich bereit. Die nationale Strategie der Bundesregierung zu Drogen und Sucht werde damit zu einer „bitteren Lachnummer“, so Graf.


Almuth Schmidt