Bundestag

Organspende-Reform beschlossen - Genaue Umsetzung offen

Berlin - 25.05.2012, 13:50 Uhr


Niemand wird zum Ja gezwungen, aber alle werden gefragt - die Bürger sollen sich zur Organspende bekennen. Nach rund 15 Jahren Debatte zieht der Bundestag Konsequenzen aus dem fatalen Organmangel.

Zuständig sind die gesetzlichen und privaten Krankenkassen. Sie sollen den Versicherten ab 16 Jahren Informationsmaterial und einen Organspendeausweis zuschicken. Auch bei der Passausgabe in den Ämtern sollen die Bürger die Unterlagen erhalten.

Verankert wird diese Entscheidungslösung im Transplantationsgesetz. Bei der Linken gab es einige Gegenstimmen und Enthaltungen, auch bei Grünen und FDP war die Zustimmung nicht durchgängig. Die Abstimmung über den gemeinsam erarbeiteten Gruppenantrag verlief ohne Fraktionszwang. Von den 12.000 Menschen, die in ganz Deutschland auf eine Spende warten, sterben jeden Tag 3.

„Wir wollen den Menschen tatsächlich etwas mehr auf die Pelle rücken, indem wir fragen und nachfragen“, sagte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier. „Es gibt kein unverbrüchliches Recht, in Ruhe gelassen zu werden.“ Er sprach von einem Ja zu Mitmenschlichkeit und Solidarität. Steinmeier wandte sich gegen übertriebene Hoffnungen: Die Organspende – nur von Hirntoten kann sie genommen werden – könne nur ein Beitrag sein, um Todkranken zu helfen.

Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) erinnerte an den Anstoß für das Gesetz. Steinmeier und er hätten den Eindruck gehabt, „dass wir nicht häufig genug und intensiv genug an die Menschen herangegangen sind, um sie aufzufordern und zu motivieren, Organe zu spenden“. Dies solle nun geschehen, ohne Druck auszuüben.

Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) sprach von einem starken Signal. Er kündigte an: „Wir werden eine große Öffentlichkeitskampagne starten, um die Menschen besser aufzuklären.“ Dazu soll am kommenden Donnerstag in Münster eine Informationstour starten. Bisher hätten nur 25 Prozent der Bürger einen Spenderausweis. „Wir werden nicht lockerlassen und werden regelmäßig immer wieder informieren.“ Elisabeth Scharfenberg (Grüne) sagte: „Das Thema wird in die Gesellschaft und die Familien getragen.“

In einigen Jahren sollen die Versicherten ihre Entscheidung auf der elektronischen Gesundheitskarte dokumentieren können. Sobald dies technisch möglich ist, sollen sie sich von den Krankenkassen helfen lassen können. Diese sollen die Daten speichern und löschen können. Die Linke und die Grünen wandten sich aus Sorgen um den Datenschutz und wegen der Verunsicherung der Bürger dagegen, scheiterten aber mit entsprechenden Änderungswünschen.

Ein weiterer Gesetzesbeschluss bringt Änderungen beim Ablauf der Organspende. Von Politikern und Experten werden sie als mindestens ebenso wichtig eingestuft, um mehr Spenderorgane zu gewinnen. Alle infrage kommenden Krankenhäuser müssen Transplantationsbeauftragte haben. Potenzielle Organspender sollen besser als heute identifiziert werden.

Für Menschen, die zu Lebzeiten etwa eine Niere spenden, sollen auf Kosten der Krankenkassen des Empfängers eine Entgeltfortzahlung und Krankengeld garantiert werden. Auch die Nachsorge wird gesichert.

Umstritten bleibt der Umgang mit der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO), die die Spenden organisiert. Ihr werden Unregelmäßigkeiten und Selbstherrlichkeit vorgeworfen. Die Koalition und die SPD wollen mehr Transparenz und Kontrollen. Linke und Grüne verlangten hingegen eine grundsätzliche Reform bei der DSO. Deswegen stimmten sie der Änderung des Transplantationsgesetzes nicht zu.

Wann die Versicherten Post zur Organspende bekommen, ist noch unklar. Beide Gesetze sollen voraussichtlich bis zum 1. Juli im Bundesgesetzblatt stehen. Die Entscheidungslösung gilt vier Monate nach dieser Verkündung – das wäre 1. November. Binnen zwölf Monaten soll die Post erstmals verschickt werden.

„70 Millionen Versicherte anzusprechen, ist ein riesiges Projekt“, sagte der Sprecher des Kassen-Spitzenverbands, Florian Lanz. Die Abfrage werde nach Möglichkeit mit der elektronischen Gesundheitskarte oder anderen Schreiben kombiniert. Künftig soll die Abfrage alle zwei Jahre erneut stattfinden. Wenn später die Entscheidung auch auf der Gesundheitskarte gespeichert werden kann, soll die Abfrage alle fünf Jahre erfolgen.


dpa