Arzneimittelabhängigkeit

DHS: „Apotheken in der Pflicht“

Berlin - 12.04.2012, 17:42 Uhr


Laut dem „Jahrbuch Sucht 2012“ der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) sind rund 1,4 bis 1,5 Millionen Menschen in Deutschland abhängig von Medikamenten. Davon allein circa 80 Prozent von verschreibungspflichtigen Benzodiazepinderivaten. Im apothekenpflichtigen OTC-Markt bergen vor allem Schmerzmittel und Nasensprays ein unterschätztes Abhängigkeitspotenzial. Apotheker können helfen, indem sie auf die Gefahren aufmerksam machen.

Von allen häufig verordneten Arzneimitteln haben nach Angaben der DHS rund fünf Prozent ein eigenes Suchtpotenzial. Darunter fallen alle verschreibungspflichtigen psychotropen Arzneimittel wie Schlaf- und Beruhigungsmittel vom Benzodiazepin- und Barbitursäure-Typ, zentral wirksame Schmerzmittel sowie codeinhaltige Arzneimittel und Psychostimulantien. Entgegen früheren Annahmen bestätigen neuere Studien auch Benzodiazepin-Analoga („Z-drugs“) wie Zopiclon oder Zolpidem ein ähnlich hohes Abhängigkeitsrisiko wie den Benzodiazepinen selbst.

Die Problematik einer Benzodiazepinabhängigkeit sei sowohl Ärzten als auch Patienten bewusst, so Gabriele Bartsch, Referentin zu Grundsatzfragen des DHS. Man registriere vermehrt, dass Ärzte Benzodiazepine auf Privatrezept verschrieben. Diese seien nicht erfassbar und Verordnungsmuster daher nicht mehr nachvollziehbar. In diesen Fällen seien auch die Apotheken in der Pflicht, Patienten auf das Abhängigkeitspotenzial hinzuweisen, so Bartsch. Gefährlich sei die Tendenz der Patienten, die Apotheke häufig zu wechseln, um Nachfragen zu umgehen.

Während bei den verschreibungspflichtigen Arzneimitteln laut DHS die Schlaf- und Beruhigungsmittel dominieren, führen unter den apothekenpflichtigen Präparaten die Schmerzmittel und die schleimhautabschwellenden Nasensprays zu Dauerproblemen: Schmerzmittel würden häufig prophylaktisch eingenommen. Auch die Werbung für nicht rezeptpflichtige Schmerzmittel suggeriere, dass eine Einnahme vorteilhaft sei. Es sei wichtig, die Patienten in der Apotheke auf die Nebenwirkungen einer dauerhaften Schmerzmitteleinnahme – vor allem auf gastrointestinale Beschwerden, medikamenteninduzierten Dauerkopfschmerz und schwere Nierenschäden – hinzuweisen, empfiehlt die Bundesärztekammer im „Jahrbuch Sucht 2012“.

Bei Nasensprays, von denen sich drei unter den 20 meistverkauften Arzneimitteln in Deutschland finden, sollten Apotheken „mit Nachdruck“ auf die zeitliche Begrenzung der Anwendung hinweisen: Schon nach einer Woche könne es zu einem medikamentenbedingten Anschwellen der Nasenschleimhaut kommen.

Um Patienten vor der Entwicklung einer Arzneimittelabhängigkeit zu schützen, sollten Ärzte und Apotheker nach der „4K-Regel“ folgende Empfehlungen weitergeben:

·        Klare Indikation (das Medikament nur einnehmen, wenn eine medizinische                          Notwendigkeit besteht)

·        Klare notwendige Dosis

·        Kurze Anwendungsdauer (maximal 14 Tage)

·        Kein abruptes Absetzen


Almuth Schmidt