Arzneimittelversorgung

Lieferengpässe in der Schweiz

Berlin - 11.04.2012, 17:48 Uhr


In der Schweiz kommt es offenbar zu Versorgungsengpässen mit Arzneimitteln. Medienberichten zufolge können Hersteller den Schweizer Bedarf aufgrund von Produktionsproblemen nicht ausreichend decken. Hinzu kommt die Abhängigkeit von wenigen Herstellungsbetrieben, die sich immer häufiger im Ausland ansiedeln. Das sogenannte „Drug Shortage“-Problem ist bereits bekannt aus den USA und könnte auch die deutsche Arzneimittelversorgung gefährden.

Professor Dr. Mathias Schmid, Chefarzt im Züricher Triemli-Krankenkenhaus, warnte in der Schweizer „Sonntagszeitung“ vor weitreichenden Folgen für Patienten und Patientinnen, falls die Probleme nicht behoben werden können. „Es bestünde die Gefahr, dass Therapien abgebrochen oder umgestellt werden müssten. Dies hätte zur Folge, dass die Patientinnen und Patienten nicht mehr die beste Therapie erhielten“, sagte Schmid. „Lieferengpässe sind ein großes, stark zunehmendes Problem, das sich nicht auf einzelne Lieferanten beschränkt“, zeigte Schmid weiter auf.

Laut der „Baseler Zeitung“ wartet beispielsweise das Genfer Universitätskrankenhaus zurzeit auf etwa 50 Arzneimittellieferungen. Regelmäßig seien von den Engpässen auch Impfstoffe betroffen. „Es ist ein großes Problem, das uns jeden Tag für einige Stunden beschäftigt“, sagte Laurence Cingria aus der Genfer Krankenhausapotheke der „Baseler Zeitung“.

Gestern hat die Sandoz Pharmaceuticals AG, ein zu Novartis gehörender Generika-Hersteller, Schweizer Onkologen und Krankenhausapotheker auf Lieferprobleme von Carboplatin-, Cisplatin-, Epirubicin- und Doxorubicin-enthaltenden Zytostatika sowie von Calciumfolinat-Präparaten hingewiesen. Die Firma Sandoz ist optimistisch, die Arzneimittel, mit Ausnahme von Doxorubicin, im Laufe dieses Jahres wieder liefern zu können.

Ursache für die Versorgungsprobleme mit den Krebsarzneimitteln sei die derzeit wegen Umbaumaßnahmen verlangsamte Herstellung im Zytostatika-Werk im österreichischen Unternach, erklärt Sandoz. Mit dem Ausbau der Produktionsstätte will sich das Unternehmen dem weltweit gestiegenen Bedarf an Krebsarzneimitteln anpassen. 

Am Beispiel von Sandoz zeigt sich ein weltweites Problem: die Abhängigkeit der Arzneimittelversorgung von wenigen Produktionsstandorten. In der „Sonntagszeitung“ erklärte die Leiterin Marktüberwachung bei der Schweizer Arzneimittelbehörde Swissmedic, Karoline Mathys: „Die Situation ist eine Folge der Globalisierung.“ Denn um Kosten zu sparen, konzentrierten die Hersteller die Produktion möglichst an einem Ort. „Tritt dort ein Problem auf, wird der gesamte Markt gestört“, so Mathys. Andere Länder seien genauso betroffen wie die Schweiz, heißt es weiter.

Besonders problematisch ist momentan die Lage in den USA: Im Jahr 2010 registrierte die US-amerikanische Arzneimittelbehörde (FDA) 178 Versorgungsengpässe, 2011 sogar 200 Fälle. Dies liegt unter anderem daran, dass viele Pharmafirmen die Arzneimittelherstellung in die Länder verlegen, in denen die Lohn- und Produktionskosten gering sind. Dazu zählen beispielsweise China, Indien und Russland, wo die pharmazeutische Industrie momentan stark anwächst. Dieses Wachstum wird durch die aus Kostengründen rückläufige inländische Arzneimittelproduktion der USA verstärkt. Dadurch sind die USA von Medikamentenlieferungen aus dem Ausland weitestgehend abhängig geworden.

Der Wissenschaftler Professor Dr. Harald Schweim von der Universität Bonn sieht eine ähnliche Gefahr auch für eine verlässliche Arzneimittelversorgung in Deutschland: Fast alle hierzulande verbrauchten Antibiotika werden im Ausland, besonders in China, produziert. Eine analoge Entwicklung zeichnet sich laut Schweim für Wirkstoffe wie Metformin, Cortison und Amlodipin ab.

Für weitere Informationen über die Arzneimittelversorgung in den USA und Deutschland


Svenja Schwob