Ungeeignete Arzneimitteltherapie im Alter

Frauen sind besonders gefährdet

Berlin - 23.03.2012, 15:53 Uhr


Patienten über 65 haben einen hohen Arzneimittelkonsum: Sie schlucken fünfmal mehr Medikamente als jüngere Menschen. Jeder vierte Patient über 65 erhält mindestens ein Arzneimittel verschrieben, das für ihn potenziell gefährlich ist. Zu diesem Ergebnis kommt das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO).

Bei alten Menschen verändern sich der Stoffwechsel, die Verteilung im Körper und die Ausscheidung einiger Wirkstoffe so stark, dass gehäuft Nebenwirkungen auftreten. Deshalb fällt das Nutzen-Risiko-Verhältnis zahlreicher Arzneimittel für die Therapie von alten Patienten negativ aus.  

„Je älter ein Arzt ist, desto häufiger verordnet er Wirkstoffe, die für ältere Patienten gefährlich werden können“, sagt  Gisbert W. Selke, Arzneimittelexperte beim WIdO.  Das Institut vermutet, dass jüngere Ärzte besser über die aktuellen Erkenntnisse und Besonderheiten von Arzneimitteln informiert seien. Darüber hinaus seien es häufiger männliche Ärzte, die Wirkstoffe von der Priscus-Liste verordnen, ergänzt Selke.   
 
Die Analysen des WIdO decken noch weitere Zusammenhänge auf: „Im Vergleich der Bundesländer erhalten Patienten in den alten Bundesländern deutlich häufiger Wirkstoffe, die auf der Priscus-Liste stehen“, so Gisbert W. Selke. Die höchsten Patientenanteile gebe es in Rheinland-Pfalz (27,4 Prozent) und dem Saarland (27,1 Prozent). Nur Bremen liege mit 21,6 Prozent auf dem Niveau der neuen Bundesländer. Hier erhalte nur etwa jeder fünfte Patient mindestens einen der potenziell gefährlichen Wirkstoffe, heißt es vom WIdO.

„Frauen nehmen besonders häufig Wirkstoffe ein, die für ältere Menschen ungeeignet sind“, sagt Jürgen Klauber, Geschäftsführer des WIdO. Unter den 20 am häufigsten verordneten Wirkstoffen der Priscus-Liste im Jahr 2011 fand das WIdO vor allem Schmerzmittel, Antidepressiva und Arzneimittel zur Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Der mit mehr als 22 Millionen Tagesdosen am häufigsten an AOK-Patienten über 65 Jahren verordnete Wirkstoff sei das Bluthochdruckmittel Doxazosin gewesen. Den zweiten Platz nehme Amitriptylin ein. Von den knapp 20 Millionen Tagesdosen sei das Antidepressivum drei Mal so häufig Frauen wie Männern verschrieben worden. Auf Platz drei der am meisten verordneten Wirkstoffe aus der Priscus-Liste stehe Etoricoxib, von dem über 13,4 Millionen Tagesdosen abgegeben wurden. Auch dieses Rheumamittel werde deutlich häufiger an Frauen verschrieben – sie nehmen mehr als doppelt so oft Etoricoxib ein als Männer, ermittelte das WIdO.
 
 


Svenja Schwob