Apothekenrecht-Tag

„Pick up muss und kann verboten werden“

Frankfurt - 14.03.2012, 09:29 Uhr


Pick-up brennt Apothekern wie Juristen nach wie vor unter den Nägeln. Die ABDA bemüht sich seit Jahren, diesen „Auswüchsen des Versandhandels“ ein Ende zu bereiten. Auch die Politik zeigt sich nach außen willig für ein Pick-up-Verbot. Dennoch hielten das Justiz- und das Innenministerium bislang alle Vorschläge für verfassungswidrig. Prof. Dr. Hilko J. Meyer von der Fachhochschule Frankfurt/Main sieht jedoch keinen Anlass zu resignieren.

Auf dem Apothekenrecht-Tag in Frankfurt zeichnete der Arzneimittel- und Apothekenrechtler Professor Meyer die Historie der Pick-up-Diskussion auf: 2004 wurde der Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in Deutschland erlaubt – noch im selben Jahr startete die Kooperation der Europa Apotheek Venlo mit dem dm-Drogeriemarkt. Die sogenannten Pharmapunkte beschäftigten daraufhin die Gerichte; im Mai 2008 segnete sie das Bundesverwaltungsgericht ab. Die Leipziger Richter sahen in der Abgabe von Arzneimitteln über Pick-up-Stellen eine zulässige Form des Arzneimittelversandhandels. Das Verbot der Einrichtung von Rezeptsammelstellen ohne Erlaubnis hielten sie nicht für tangiert. In einem obiter dictum legte das Gericht zudem seine Auffassung dar, wie es den hypothetischen Fall einer gesetzlichen Einschränkung des Versandhandels sehen würde. Danach würde ein Pick-up-Verbot einen Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit darstellen, der nicht durch triftige Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sei. Seitdem finden sich in immer mehr Drogerien Pick-up-Stellen von Versandapotheken – und auch anderenorts schieben sich neue Marktteilnehmer zwischen die Apotheke und Patienten. 

Bekanntlich fand sich bis heute kein Weg, Pick-up-Stellen zu verbieten – und das obwohl sich dies Union und FDP 2009 in ihrem Koalitionsvertrag ausdrücklich zum Ziel gesetzt hatten. Im Referentenentwurf für das AMNOG hatte das Bundesgesundheitsministerium tatsächlich eine Ergänzung in § 11a Apothekengesetz vorgeschlagen, um den Ausfransungen des Versandhandels Einhalt zu gebieten. Aus Meyers Sicht war der Ansatz schon recht gelungen. Doch dem Vorschlag wurde ebenso wie verschiedenen Ideen der ABDA von den Verfassungsressorts – den Bundesministerien für Justiz und für Inneres – Verfassungswidrigkeit vorgehalten. 

Meyer kann dies nicht nachvollziehen – auch wenn er nicht sämtliche vorgelegten Vorschläge für sinnvoll hält. Zum einen haben aus seiner Sicht die Richter des Bundesverwaltungsgerichts die bestehenden Regelungen überstrapaziert. Sie hätten die Drogerie zum „Transportmittler“ gemacht und dabei ein Konstrukt gewählt, das nicht beschreibe, was tatsächlich passiert. Auf diese Weise habe man das Vorgehen „mit Gewalt“ unter die Regelungen zum Versandhandel subsumiert. Doch Meyer ist der Auffassung, dass Versandhandel und Pick-up zwei verschiedene Dinge sind: „Die Erlaubnis des Versandhandels mit Arzneimitteln bedeutet nicht, dass Pick-up zulässig sein muss“. 

Überdies sieht Meyer das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von den Ministerien missinterpretiert – der Gesetzgeber sei nicht hieran gebunden. Schließlich müsse ein Gericht auf Grundlage der geltenden Gesetzeslage seine Entscheidungen treffen; der Gesetzgeber aber bestimme, woran sich die Gerichte halten müssen. Insofern verwundert es Meyer am meisten, dass es keine guten Vorschläge für eine gesetzliche Regelung gab. Die ABDA versuchte es zunächst über ein generelles Versandverbot, später mit einem Verbot der Pick-up-Stellen über einen Genehmigungsvorbehalt nach dem Muster der Rezeptsammelstellen. Ein Vorschlag, der Meyer zufolge auch nicht weiterhalf – zumal er höchst geheim gehandelt wurde. Völlig inakzeptabel ist für ihn auch eine Idee, die noch zu SPD-Zeiten aus dem Bundesgesundheitsministerium kam: Danach sollten rechtliche Anforderungen an Pick-up-Stellen in Ladengeschäften aufgestellt werden, z. B., dass bei der Abgabe eine „sachkundige Person“ i.S.d. § 50 AMG anwesend sein muss. „Das wäre die Schaffung einer Apotheke dritter Klasse“. 

Meyer selbst ist überzeugt, dass die Beschränkung des Versandhandels auf die direkte Zustellung an den Patienten durch ein Logistikunternehmen verfassungsrechtlich keinen Bedenken unterliegt. Ein solcher Eingriff in die Berufsfreiheit sei gerechtfertigt, und auch ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz liege wegen des wesentlichen Unterschieds zwischen Zustellung und Pick-up-Stelle nicht vor. Meyer betonte, dass es allein in den Händen der Koalitionsparteien liege, einen entsprechenden Gesetzentwurf durchzusetzen.


Kirsten Sucker-Sket


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