Klage wegen AZ-Kommentar

Menschenverachtender Zynismus? Die AOK will’s wissen

Stuttgart - 17.02.2012, 09:30 Uhr


Jetzt also doch: Nach langem Schweigen hat die AOK Baden-Württemberg, vertreten durch ihren Vorsitzenden Christopher Hermann, gegen DAZ-Herausgeber Klaus G. Brauer und den Deutschen Apotheker Verlag vor dem Landgericht Berlin Unterlassungsklage erhoben.

Der Stein des Anstoßes: Ein AZ-Kommentar vom 26. September 2011 (Nr. 39). Dort hatte Brauer die Praxis der AOK, Rabattverträge mit Pharmaunternehmen zu vereinbaren, die auch lange Zeit nach Beginn der rabattvertraglichen Laufzeit nicht in der Lage sind, dringend benötigte Rabattarzneimittel zu liefern, als menschenverachtenden Zynismus bezeichnet: Bloße Wirtschaftlichkeitserwägungen führten bei vielen AOK-Versicherten nämlich zwangsläufig zu einem therapeutisch nicht vertretbaren Arzneimittel-Hopping und zu massiven Compliance-Problemen.

Dadurch sehen sich Hermann und die AOK-Baden-Württemberg einer, wie sie meinen, unzulässigen Schmähkritik ausgesetzt. Ausschließlicher Beweggrund des Kommentars sei die „Herabwürdigung des Ansehens“ der AOK als öffentlich-rechtlicher Institution. Die Kritik suggeriere „vorsätzlich Assoziationen zur Behandlung von Menschen im Dritten Reich in Lagern etc.“! 

Brauer und der Deutsche Apotheker Verlag weisen diese Sicht als abwegig zurück und sehen den Kommentar vom Grundrecht der Pressefreiheit und der freien Meinungsäußerung gedeckt. Insbesondere mit ihrer befremdlichen Assoziationskette unterliege die AOK einem fatalen Umkehrfehlschluss: menschenverachtenden Zynismus gebe es selbstverständlich auch jenseits nationalsozialistischer Verbrechen; er sei nicht NS-exklusiv. 

Verlag und Autor lehnen deshalb die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsklage ab. Jetzt muss die 27. Zivilkammer des Landgerichts Berlin entscheiden. Die mündliche Verhandlung findet am 29. März statt.


DAZ.online