Landgericht München

Apotheker sind keine bloßen Lagerhalter

Berlin - 11.11.2011, 10:01 Uhr


Arzneimittelhersteller dürfen keinen Lieferservice für apothekenpflichtige Arzneimittel anbieten. Ein solcher verstößt nach Auffassung der Richter des Landgericht München I gegen die Apothekenpflicht und stellt eine reine Werbekampagne des Herstellers zur Kundenbindung dar.

Im entschiedenen Fall war die Beklagte die deutsche Konzerngesellschaft eines amerikanischen Arzneimittelherstellers, die mit Patientenschreiben ihren kostenfreien Lieferservice für ein Medikament zur Behandlung der Parkinsonschen Krankheit bewarb. Die Patienten konnten sich vom Unternehmen darüber hinaus Verbrauchsartikel zusenden, durch Anrufe des Herstellers an Folgerezepte erinnern oder diese direkt vom Hersteller beim behandelnden Arzt anfordern lassen.

Die Münchener Richter entschieden, dass ein solcher Lieferservice eine Umgehung der grundsätzlichen Apothekenpflicht ist: Nach § 43 AMG dürfen Arzneimittel nämlich grundsätzlich nur in Apotheken – mit behördlicher Erlaubnis auch im Wege des Versandhandels – berufs- oder gewerbsmäßig für den Endverbrauch in den Verkehr gebracht werden.

Die Entgegennahme von Bestellungen apothekenpflichtiger Arzneimittel von Patienten und deren nachfolgende Auslieferung entweder durch einen Dienstleister oder durch eine öffentliche Apotheke verhindere den persönlichen Kontakt zwischen Apotheker und Patient, so das Urteil. Gerade dieser persönliche Kontakt solle jedoch eine rechtzeitige umfassende und objektive Beratung gewährleisten, die auch und gerade darin bestehen kann, aus Verträglichkeits- oder Kostengründen auf ein alternatives Medikament hinzuweisen.

Auch seien Apotheker keine „bloßen Lagerhalter“, so die Richter: Liefere eine Apotheke das beim Hersteller bestellte Medikament nur noch aus, sei – anders als im Falle einer Versandapotheke, welche die Bestellungen zumindest noch selbst entgegennehme – die dem Schutz der Volksgesundheit dienende Beratungsfunktion der Apotheken nicht mehr gewährleistet. Hinzu kam für die Richter, dass durch die von der Beklagten gewählte Konstruktion auch der Kontakt zum behandelnden Arzt vollständig unterbunden wurde – der Patient erhielt dadurch keinerlei Aufklärung und Beratung durch einen unabhängigen Dritten mehr.

Zwar hatte das Pharmaunternehmen argumentiert, der Service solle den betroffenen Patienten die notwendige Unterstützung für die Beschaffung der benötigten Arzneimittel bieten. Dies wiesen die Richter jedoch zurück und bezeichneten den Lieferservice als „Werbekampagne der Beklagten“, die dadurch „eine Art Kundenbindung“ erreichen wolle. Da der Lieferservice gegen die Apothekenpflicht verstößt, entschieden die Richter, dass das Unternehmen diesen und auch die Bewerbung desselben zukünftig zu unterlassen habe.

Landgericht München I, Urteil vom 19. Juli 2011, Az. 33 O 17644/10 (nicht rechtskräftig)


Juliane Ziegler