Psychopharmaka

TK: Verordnung bei Kindern verdoppelt

Berlin - 19.10.2011, 11:32 Uhr


Die Verordnung von Psychopharmaka für Kinder und Jugendliche hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. So habe sich die Zahl der Risperidon-Verordnungen von 2006 bis 2010 mehr als verdoppelt, meldet die Techniker Krankenkasse (TK).

Laut aktueller Daten der TK betreffe der größte Anteil an Psychopharmaka, die Kindern und Jugendlichen verordnet werden, das sogenannte Aufmerksamkeits-Hyperaktivitätssyndrom (ADHS): Während im Jahr 2006 noch fast 20.000 TK-versicherte Kinder und Jugendliche im Alter von sechs bis 17 Jahren Arzneimittel gegen die Aufmerksamkeitsstörung erhielten, seien es im Jahr 2010 bereits rund 29.000 gewesen. „Bereinigt um den Zuwachs der Versicherten in der Altersklasse ist die Anzahl der betroffenen Kinder damit um 32 Prozent gestiegen“, so die TK.

„Alarmierend“ sei dabei insbesondere die Zahl der Risperidon-Verordnungen: 2006 waren es 682 TK-Versicherte zwischen sechs und 17 Jahren, denen der Wirkstoff gegen Aggressionen verschrieben wurde, – im Jahr 2010 hingegen bereits 1.532. Die Daten zeigten, dass sich die Zahl der Verordnungen in den vergangenen vier Jahren somit mehr als verdoppelt habe.

Professor Dr. Hannsjörg Seyberth, Vorsitzender der Kommission für Arzneimittelsicherheit im Kindesalter der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ), äußerte sich kritisch: „Die Kinder stehen heute unter einem enormen familiären und schulischen Druck zu funktionieren. Verhaltensauffälligkeiten sofort mit Medikamenten zu bekämpfen, ist dabei der falsche Weg.“ Insbesondere vor dem Einsatz von Psychopharmaka sollten die Ursachen der psychischen Störung genau untersucht und wenn möglich mit anderen Therapiemöglichkeiten wie zum Beispiel Psycho- oder Verhaltenstherapie behandelt werden. Die Spätfolgen und Langzeitwirkungen von Psychopharmaka bei Kindern seien bisher nur wenig erforscht, so Seyberth.

Laut TK geben auch die Zahlen im Bereich der Antidepressiva Anlass zur Sorge: Zwar habe sich der Anstieg der betroffenen Kinder und Jugendlichen danach seit 2006 etwas verlangsamt. Allerdings sei festzustellen, dass ein Fünftel der Verordnungen solche Medikamente betreffe, die bei Kindern und Jugendlichen nicht eingesetzt werden sollten. Hinzu komme, dass die Verschreibungen von Antidepressiva vermehrt von fachfremden Medizinern erfolge: „Die Behandlung mit Psychopharmaka gehört in die Hände von Fachärzten“, so Dr. Martina Köthemann, Apothekerin bei der TK. Sie betonte außerdem, dass die Wirksamkeit und Risiken der verschiedenen Arzneimittel genau abgewogen werden müssten – gerade bei Kindern und Jugendlichen könnten bestimmte Antidepressiva schwere Nebenwirkungen wie Vergiftungen, Herz-Rhythmus-Störungen oder ein Suizidrisiko auslösen.

Lediglich im Bereich der Schlafmittel gebe es Grund zur Entspannung: Bereinigt um den Zuwachs der Versicherten sei die Anzahl der Kinder und Jugendlichen bis 17 Jahre, die zwischen 2006 und 2010 Schlafmittel verordnet bekommen haben, um 14 Prozent zurückgegangen. „Allerdings sollten auch Schlafmittel bei Kindern nur im Extremfall verordnet werden", so Seyberth.


Juliane Ziegler