Tuberkulose-Erreger

Ein vielseitiges Enzym macht Mykobakterien gefährlich

Braunschweig - 25.09.2011, 10:00 Uhr


Das Enzym Ag85A beispielsweise hat entscheidenden Anteil daran, dass der Tuberkulose-Erreger Mycobacterium tuberculosis weltweit einer der größten bakteriellen „Killer“ ist. Es produziert den sogenannten Cord-Faktor. Dieser sitzt auf der Oberfläche des Erregers und sorgt dafür, dass der Erreger in den Fresszellen der Lunge überleben und sich so vor dem Immunsystem verstecken kann.

Forscher des Braunschweiger Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) haben nun herausgefunden, dass Ag85A noch weit mehr zur Gefährlichkeit des Bakteriums beiträgt: Es stellt wichtige Speicherstoffe her, die ein jahrelanges Überleben des Erregers im Menschen ermöglichen.

Eine Vielzahl von Enzymen hilft dabei, die Zellwand des Tuberkulose-Erregers Mycobacterium tuberculosis aufzubauen. Ag85A gehört zu ihnen: Es verknüpft eine spezielle Fettsäure mit einem bestimmten Zucker – so entsteht der Cord-Faktor. Da Erreger ohne Cord-Faktor nicht mehr krankmachend sind, ist das Enzym Ag85A ein wichtiges Ziel in der Medikamentenforschung gegen Tuberkulose.

Ein Hemmstoff gegen dieses Enzym hat ein großes Potenzial für einen neuen Wirkstoff gegen Tuberkulose. Die Zellwand des Tuberkulose-Erregers ist eine der kompliziertesten und dicksten aller bekannter Bakterien. Dies verhindert effektiv, dass zum Beispiel Antibiotika dem Bakterium schaden können.

Um das Enzym näher zu charakterisieren, brachten die Forscher die genetische Information in eine harmlose Variante der Mykobakterien ein. Die Zellwand der Bakterien wurde wie erwartet dicker. Zusätzlich bildeten die Bakterien Fettspeicher. Wahrscheinlich ist Ag85A daran beteiligt, diese Reserven aufzubauen. Wenn die Wissenschaftler dagegen ein verändertes Ag85A verwendeten, das keine Fettsäuren mehr binden kann, unterblieb auch die Bildung der Fettspeicher.

Neu gefundene Mechanismen zeigen, dass das Enzym eine Reihe von Substanzen binden kann, von denen nicht bekannt war, dass sie mit Ag85A reagieren. Die Forscher müssen nun untersuchen, welche Reaktion genau in den Bakterien abläuft. Dieses Wissen kann neue Ansätze für Medikamente, Therapien und Impfstoffe eröffnen – oder die Entwicklung neuer Schnelltests ermöglichen. Substanzen, die mit Ag85A reagieren, könnten beispielsweise künftig als Basis für neue Hemmstoffe gegen Tuberkulose verwendet werden.

Literatur: Elamin A. A., et al.: Mol. Microbiol. 2011, Online-Vorabpublikation doi: 10.1111/j.1365-2958.2011.07792.x.


Dr. Bettina Hellwig