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Lebenslügen und Trends im Gesundheitswesen

Berlin - 18.07.2011, 15:08 Uhr


Lässt sich unser Gesundheitswesen reformieren und wenn ja, wie? Auf dem DAZ-Jubiläumskongress am 1. Juli in Berlin trug Prof. Dr. Walter Krämer einige "unkonven­tionelle Gedanken" zu unserem Gesundheitswesen vor.

(Den Vortrag von Professor Krämer auf dem DAZ-Jubiläumskongress können Sie nacherleben, wenn sie hier klicken. )

Der an der Technischen Universität Dortmund lehrende Professor für Wirtschafts- und Sozialstatistik ist in der breiten Öffentlichkeit durch Bücher wie das "Lexikon der populären Irrtümer" sowie durch seinen Einsatz für die deutsche Sprache bekannt geworden. Auf dem DAZ-Zukunftskongress entlarvte er einige "Lebens­lügen" im Gesundheitswesen und skizzierte aktuelle Trends.

Als einen möglichen Ausweg aus den Finanzierungsschwierigkeiten im Gesundheitswesen führt  Krämer an: „Wir müssen das Bedarfsdeckungsprinzip aufgeben." Beispielsweise sollte man zahnmedizinische Behandlungen und Kuren komplett aus dem Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung herausnehmen. Auch bei Organtransplantationen – so segensreich sie im Einzelfall sein können – seien Beschränkungen erforderlich.

Es sei aber unethisch, von Fall zu Fall zu entscheiden, welcher Patient welche Leistung erhält, sondern man müsse die Kriterien auf einer patientenfernen, abstrakten Planungsebene festlegen. Bei der Planung gehe es um das „statistische Menschenleben". Welches Individuum dann unter dieser abstrakten Planung zu leiden hat, ist nicht vorhersehbar und dem Zufall überlassen; daher seien abstrakt geplante Rationierungen moralisch gerechtfertigt.

Trotz seiner  Vorschläge, das Gesundheitswesen zu reformieren, zeigte sich Krämer pessimistisch. Er verglich unser Gesundheitswesen mit all seinen Problemen und Konflikten mit einer klassischen Tragödie, bei der es keinen guten Ausgang gibt. Er beendete seinen Vortrag mit einem prophetischen Satz von Goethe, den dieser 1798 an Charlotte von Stein geschrieben hatte und der nach über 200 Jahren Wirklichkeit zu werden scheint: „Ich halte es für wahr, dass die Humanität endlich siegen wird, nur fürchte ich, dass die Welt ein großes Hospital und einer des anderen humaner Krankenwärter werden wird."


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