Pillen gegen Stress

DHS warnt vor Hirndoping

Berlin - 20.06.2011, 17:36 Uhr


Angesichts des wachsenden Erfolgsdrucks in Schule, Ausbildung und Beruf sind viele Menschen bereit, zu einer leistungssteigernden Pille zu greifen. Doch ein solches „Hirndoping“ kann gefährlich werden, warnt die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS).

Rund 2 Millionen Beschäftige im Alter von 20-50 Jahren (5 % der Befragten) gaben in einer Umfrage der Deutschen Angestellten-Krankenkasse (DAK) an, als Gesunde schon einmal leistungssteigernde und stimmungsaufhellende Medikamente eingenommen zu haben. 2 Prozent der Befragten erklärten gar, dass sie sich regelmäßig und sehr gezielt „dopen“. Für ein Viertel aller Befragten ist es vertretbar, derartige Arzneimittel zur Steigerung der kognitiven Leistungen im Beruf einzunehmen, ohne dass hierzu eine medizinische Notwendigkeit besteht.

Aus Sicht der DHS ist diese Einstellung jedoch ein Irrweg. Antidepressiva und Präparate gegen Demenz oder das sogenannte Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom (ADHS) seien Arzneimittel zur Linderung oder Heilung von Krankheiten. „Es sind verschreibungspflichtige Medikamente, die missbräuchlich verwendet werden“, betonte DHS-Geschäftsführer Raphael Gaßmann.

Zu den bekanntesten Substanzen, die im Zusammenhang mit Hirndoping missbraucht werden, gehören insbesondere stimulierende Wirkstoffe wie das Methylphenidat (z.B. Ritalin®) zur medizinisch-indizierten Behandlung des Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS) und das Modafinil (Handelsname Vigil®) zur Therapie der Narkolepsie. Auch Antidepressiva und Antidementiva werden missbräuchlich angewandt.

Die gewünschte Wirkung bleibe bei Gesunden jedoch zumeist aus, so die DHS. Antidepressiva führten bei ihnen nicht selten zu einer Verschlechterung der Leistungsfähigkeit. So nehmen beispielsweise Aufmerksamkeit und Wachheit durch die Aufnahme von Fluoxetin, Citalopram und Sertralin ab. Auch finden sich der DHS zufolge keine Belege zur Steigerung der Gedächtnisleistung Gesunder durch Antidementiva. Eher würden Kopfschmerzen, Ruhelosigkeit und Übelkeit ausgelöst. Noch riskanter sei die Einnahme von Methylphenidat  durch Gesunde, die bereits über eine gute Aufmerksamkeitsfokussierung verfügen. „Die Einnahme führt bei Gesunden nachweislich weder zu gewünschter Stimmungsaufhellung noch zur Steigerung der Leistungsfähigkeit, eher erreichen sie die Verringerung von Leistungsfähigkeit und Aktivität“, sagt  Prof. Dr. Gerd Glaeske. Neben anderen unerwünschten Nebenwirkungen wiesen die stimulierenden Wirkstoffe Methylphenidat und Modafinil zudem ein hohes psychisches Abhängigkeitsrisiko auf

Die DHS fordert vor diesem Hintergrund eine ergebnisorientierte Verhältnisprävention. Arbeitsplatzregelungen und Sozialleistungen könnten nicht ausschließlich wirtschaftspolitisch diskutiert und entschieden werden, sondern müssten deutlicher als bisher auch gesundheitspolitisch ausgerichtet werde. Gaßmann: „Wir leben nicht nur, um zu arbeiten. Wenn Schule, Ausbildung und Beruf krank oder süchtig machen, ist es Zeit, sie grundsätzlich zu entschärfen.“ 


Kirsten Sucker-Sket