Analgesie

Blockade des AMPA-Glutamatrezeptors lindert den Schmerz

Heidelberg - 14.06.2011, 14:41 Uhr


Wird der AMPA-Glutamatrezeptor an Nervenenden selektiv ausgeschaltet, nimmt die chronische Schmerzempfindlichkeit erheblich ab. Das haben Wissenschaftler des Pharmakologischen Instituts der Universität Heidelberg entdeckt. Sie haben damit einen wichtigen Mechanismus entschlüsselt, der für die Entstehung chronischer Schmerzen verantwortlich ist

Entzündungen oder Nervenverletzungen können die Verbindungsstellen zwischen zwei Nerven, die Synapsen, derart verändern, dass weitere Schmerzreize als sehr stark empfunden werden. Diese molekularen Veränderungen sind die Grundlage des chronischen Schmerzes. Sie existieren weiter, auch wenn der Auslöser nicht mehr vorhanden ist.

Eine wichtige Rolle für die andauernde Schmerzempfindung spielen Glutamatrezeptoren auf den Nervenenden. Eine Untergruppe dieser Glutamat-Rezeptoren, AMPA-Rezeptoren (α-amino-3-hydroxy-5-methyl-4-isoxazolepropionic acid receptor), hat dabei eine Schlüsselfunktion. Dies konnten die Heidelberger Wissenschaftler in einem Experiment mit Mäusen nachweisen, denen ein funktionsfähiger AMPA-Rezeptor in den peripheren Nerven fehlte, während die AMPA-Rezeptoren im Rückenmark und im Gehirn intakt geblieben waren. Wurde eine Untereinheit des AMPA-Rezeptors selektiv ausgeschaltet und die Mäuse chemischen und mechanischen Schmerzreizen in entzündetem Gewebe – ähnlich dem chronischen Schmerz – ausgesetzt, so waren die Mäuse weniger schmerzempfindlich. Diese Untereinheit zeichnete sich dadurch aus, dass bei Einwirkung von Glutamat Calcium in die Nervenzelle einströmte.

Bisher galten synaptische glutamaterge Rezeptoren im Rückenmark und Gehirn als wichtigste Anzünder des Schmerzgedächtnisses – dessen therapeutisches Potenzial konnte aufgrund schwerer zentraler Nebenwirkungen jedoch nicht ausgenutzt werden. Die neuen Erkenntnisse aus der Studie zeigen, dass nicht-synaptische glutamaterge Rezeptoren in peripheren Nerven eine wichtige „Tor“-Funktion bei der Weiterleitung von Schmerzsignalen in das zentrale Nervensystem spielen. Die gezielte Ausschaltung von peripheren glutamatergen Rezeptoren könnte also eine Linderung des chronischen Schmerzes ohne erhebliche zentrale Nebenwirkungen ermöglichen. Damit ist der Weg für die Entwicklung eines Medikamentes eröffnet, das gezielt die molekularen Grundlagen von chronischem Schmerz angreift.

Literatur: Gangadharan, V., et al.: J. Clin. Invest. 2011;121(4):1608-23.


Dr. Bettina Hellwig