EHEC

Shigatoxin aktiviert das Komplementsystem

Heidelberg - 05.06.2011, 09:29 Uhr


Der monoklonale Antikörper Eculizumab ist seit 2007 zur Behandlung der paroxysmalen nächtlichen Hämoglobinurie (PNH) zugelassen. Der Wirkstoff scheint auch in der Behandlung des hämolytisch urämischen Syndroms (HUS) wirksam zu sein.

Bei der paroxysmalen nächtliche Hämoglobinurie (PNH). Bei dieser sehr seltenen hämatologischen Erkrankung werden die Erythrozyten vom Immunsystem zerstört. Durch die chronische Hämolyse wird Hämoglobin mit dem Urin ausgeschieden, und der Morgenurin der Patienten ist typischerweise dunkel gefärbt. PNH-Patienten benötigen regelmäßige Bluttransfusionen. Patienten mit PNH fehlt ein spezifisches Protein, das die roten Blutkörperchen normalerweise vor der Zerstörung durch eine Komponente des Immunsystems schützt, des terminalen Komplementsystems.

Die Erkrankung wird im Laufe des Lebens erworben, und zwar durch die somatische Mutation des Phosphatidyl-Inositol-Glykan(PIG)-A-Gens einer pluripotenten hämatopoetischen Stammzelle. Das Produkt dieses Gens, die N-Acetylglucosaminyltransferase, ist verantwortlich für die Biosynthese des GPI-Ankerproteins. Der GPI-Anker ist für die Insertion von Oberflächenproteinen in der Zellmembran notwendig, welche normalerweise die Erythrozyten vor der Anlagerung von aktivierten autologen Komplementkomponenten und damit der komplementvermittelten Zelllyse schützen. Je nach Art der Mutation des betroffenen Zellklons sind die GPI-Anker teilweise oder vollständig defekt. Dadurch können die Membranfaktoren CD 55 (DAF, „decay accelerating factor“) und CD 59 (MIRL, „membran inhibitor of reactive hemolysis“) auf den Erythrozyten nicht mehr gebunden werden. Diese Proteine verhindern normalerweise, dass die roten Blutkörperchen vom Komplementsystem angegriffen und zerstört werden.

Der monoklonale Antikörper Eculizumab bindet spezifisch und mit hoher Affinität an das Komplementprotein C5, blockiert dadurch dessen Spaltung in die Fragmente C5a und C5b und verhindert die Bildung des terminalen Komplementkomplexes C5b-9. Auf diese Weise hemmt Eculizumab die terminale komplementvermittelte intravaskuläre Hämolyse.

Auch bei Infektionen mit enterohämorrhagischen Escherichia coli (EHEC) kann es zu einer Aktivierung des Komplementsystems kommen. Der Auslöser ist in diesem Fall wahrscheinlich das von den Bakterien gebildete Shigatoxin. Für diese Hypothese sprechen die Therapieerfolge, die am Universitätsklinikum Heidelberg bei der Behandlung von drei Kleinkindern erzielt wurden.

Alle drei waren nach einer EHEC-Infektion an einem HUS erkrankt. Sie wurden zunächst über mehrere Tage mit einem Plasmaaustausch behandelt, was eine Verschlechterung des Zustands nicht verhinderte. Als die Situation nach der Entwicklung von zentralnervösen Komplikationen aussichtslos erschien, entschieden sich die Ärzte zu einem Behandlungsversuch mit Eculizumab. Innerhalb von 24 Stunden nach der ersten Infusion verbesserte sich der klinische Zustand aller drei Kinder dramatisch. Die Infusionen wurden im Abstand von sieben Tagen ein- oder zweimal wiederholt.

Bei allen Kindern war die klinische Erholung begleitet vom Rückgang der Krankheitsmarker Kreatinin und Laktatdehydrogenase. Die Dialyse, die aufgrund des akuten Nierenversagens im Rahmen des HUS notwendig wurde, konnte bei nach 3, 13 und 16 Tagen beendet werden. Alle drei Kinder erholten sich und waren sechs Monate später in Remission. Zwei Kinder haben noch eine leichte Proteinurie.

Vor zwei Jahren hatten US-Mediziner über ähnliche Erfolge bei Kindern mit einem angeborenen HUS berichtet, was ebenfalls für die Beteiligung des Komplementsystems bei dem Krankheitsbild spricht.

Quellen: Fachinformation zu Eculizumab, Stand Juni 2007.
Pressemitteilung des Universitätsklinikums Heidelberg, 27. Mai 2011.


Dr. Bettina Hellwig