Grundlagenforschung

Künstliche Moleküle für die Wirkstoffsuche

München - 26.05.2011, 12:08 Uhr


Ein neues an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München mitentwickeltes Verfahren ermöglicht es jetzt, die Bindung potenzieller Wirkstoffe an Rezeptoren in der Zellmembran schnell, genau und direkt in Lösung zu testen.

Membranrezeptoren sind sehr große Proteine. Sie durchziehen die Zellmembran von der Oberfläche bis ins Zellinnere. Sobald ein Botenstoff oder ein anderes Molekül erfolgreich bindet, ändert sich die räumliche Anordnung des Proteins. Diese Konformationsänderung löst im Inneren der Zelle eine Signalkaskade aus, die beispielsweise bei Arzneistoffen regulierend in den Stoffwechsel eingreift.

Erste Voraussetzung für den Heilungserfolg ist jedoch, dass der potenzielle Wirkstoff überhaupt an das Rezeptorprotein binden kann. Bei der Suche nach neuen Wirkstoffen sind die sogenannten G-Protein gekoppelten Rezeptoren (GPCR) besonders gefragt. An diese Rezeptoren binden eine Reihe von Botenstoffen.

Bei den Untersuchungen treffen die Forscher jedoch immer wieder auf zwei Probleme: Zum einen sind Rezeptorproteine sehr empfindlich und normalerweise nur in der Membran eingebettet funktionsfähig. Zum anderen sind die Wirkstoff-Moleküle in der Regel deutlich kleiner als die Rezeptoren. Daher ist es fast unmöglich, die Bindung mit herkömmlichen Messmethoden wie über Massen- oder Größenänderung nachzuweisen. Alternative Methoden, wie der indirekte Nachweis anhand von Zellkulturversuchen, benötigen deutlich mehr Zeit und Material.

Wissenschaftler aus Boston und München kombinierten zwei neuartige Techniken, um diese Grenzen zu überwinden. Sie schafften es, die G-Protein-gekoppelten Rezeptoren mit einer membranartigen Hülle aus Peptiden zu umgeben. Auf diese Weise können die Forscher künstliche Rezeptoren produzierten, die auch ohne Zellmembran korrekt gefaltet und löslich sind.

Die Biophysiker der LMU arbeiten mit einem mikroskaligen Temperaturgradienten, um die Bindung von Wirkstoffen an diese Rezeptoren nachzuweisen. Ihre Methode basiert auf der Tatsache, dass sich alle Moleküle in Lösung entlang eines Temperaturgradienten auf eine eigene, charakteristische Art und Weise bewegen. Mithilfe eines Lasers heizen die Münchner Wissenschaftler daher ein Röhrchen mit einem Mikroliter Testflüssigkeit so auf, dass sich ein Gradient von 0,12°C/Mikrometer aufbaut. Anschließend vergleichen sie die Fortbewegung des Rezeptors alleine mit dem Verhalten des Moleküls nach Zugabe einer Testsubstanz. Wenn der Wirkstoff an das Rezeptormolekül bindet, ändert sich dessen Bewegung.

Der Messaufbau dieser sogenannten mikroskaligen Thermophorese ist sehr stabil. Und zugleich ist die Methode so sensitiv, dass sie selbst kleinste bindungsinduzierte Konformationsänderungen der GPC-Rezeptoren detektiert und mit einer sehr kleinen Probemenge auskommt. Wird diese Menge variiert, kann die Wirksamkeit der Bindung auch quantitativ bestimmt werden.

Die Untersuchung der löslichen GPC-Rezeptoren mit der mikroskaligen Thermophorese der Münchner Wissenschaftler hat damit durchaus das Potenzial, zu einem einfachen und schnellen Standard-Test für die Pharma- und Grundlagenforschung zu werden.

Literatur: Wang, X., et al.: Proc. Nat. Acad. Sci., Online-Vorabpublikation, 11. Mai 2011, doi: 10.1073/pnas.1018185108.


Dr. Bettina Hellwig