Angiogenese

Ruhepause für das Endothel

Mannheim - 30.04.2011, 09:54 Uhr


Der Transkriptionsfaktor HOXC9 kann Blutgefäße in einen gesunden Ruhezustand versetzen. Wissenschaftler der Universitätsmedizin Mannheim (UMM) konnten jetzt zeigen, wie zur Gefäßbildung aktivierte Endothelzellen über die verstärkte Bildung des Transkriptionsfaktors HOXC9 in ein ruhendes, funktionell intaktes Endothel überführt werden können.

Die Wissenschaftler konnten auch den Mechanismus aufdecken, über den HOXC9 die Prozesse der Blutgefäßbildung unterbindet. Die Ergebnisse der Mannheimer Forscher könnten eine wichtige Erkenntnis in Bezug auf das Wachstum von Tumoren - und damit von deren Behandlung - sein.

Die Bildung von Gefäßen ist ein wichtiges Forschungsgebiet auch der Krebsforscher. Denn um wachsen zu können, sind Tumoren auf die Versorgung durch Blutgefäße angewiesen, die ihnen Sauerstoff und Nahrung zuführen. Sie können sogar selbst die Bildung von Blutgefäßen in Gang setzen, indem sie gezielt Wachstumsfaktoren freisetzen. Diesen Prozess bezeichnet man als Tumorangiogenese.

Privatdozent Dr. Jens Kroll aus Mannheim konnte mit seinem Team jetzt zeigen, dass der Transkriptionsfaktor HOXC9, der in intakten, ruhenden Endothelzellen stark produziert wird, in aktivierten Endothelzellen des Blutgefäßsystems nicht mehr gebildet wird. Besonders interessant ist die Beobachtung, dass umgekehrt eine verstärkte „künstliche“ Bildung von HOXC9 aktivierte Endothelzellen in einen ruhenden, aber dennoch funktionellen Zustand versetzen kann.

HOX-Gene haben eine wichtige Funktion in der frühen Entwicklung eines Organismus, etwa indem sie dort die Gliederung der Körperachsen steuern. In den letzten Jahren konnte gezeigt werden, dass HOX-Gene über ihre entwicklungsbiologische Funktion hinaus einen Einfluss auf weitere wichtige physiologische Prozesse in einem Organismus haben. So regulieren sie im Gefäßsystem sowohl Neubildung als auch Rückbildung von Blutgefäßen während der Embryonalentwicklung. Auch regen sie die Gefäßbildung im Zusammenhang mit krankhaften Veränderungen an, etwa während der Tumorentstehung.

Die Forscher konnten jetzt sowohl in kultivierten Endothelzellen als auch in Blutgefäßen im Zebrafisch zeigen, dass HOXC9 die Bildung des für Blutgefäße wichtigen Faktors Interleukin 8 hemmt und auf diese Weise eine Aktivierung der Endothelzellen und Neubildung der Blutgefäße verhindern kann. Dabei wiesen sie nach, dass HOXC9 vielfältige Prozesse der Blutgefäßbildung, wie die Neubildung und Wanderung von Endothelzellen, hemmt, und dass diese Funktionen von HOXC9 ausschließlich über den Faktor Interleukin 8 vermittelt werden.

Die Ergebnisse haben eine wichtige Bedeutung sowohl für die Grundlagenforschung als auch für die medizinische Forschung. Die Wissenschaftler lernen, wie Blutgefäße in der Embryonalentwicklung entstehen können. Und sie verstehen besser, wie die Bildung von Blutgefäßen, die den Tumor versorgen, reguliert wird. Ein weiterer Aspekt sind Erkenntnisse die Entzündungsprozesse betreffen, nämlich wie hier die überschießende lokale Aktivierung des Endothels reguliert wird.

Im Mittelpunkt der weiteren Forschung in diesem Zusammenhang steht insbesondere die Frage, ob eine gesteigerte Bildung von HOXC9 nicht nur aktivierte Endothelzellen in einen Ruhezustand versetzen, sondern tatsächlich auch die Neubildung von Blutgefäßen verhindern kann.

Quelle: Stoll, S. J., et al: Circulation Research 2011, Online-Vorabpublikation am 14. April 2011, doi: 10.1161/CIRCRESAHA.111.244095


Dr. Bettina Hellwig