Gentherapie

Salmonellen als Genfähren

Berkeley - 14.02.2011, 16:41 Uhr


Da Viren darauf spezialisiert sind, in lebende Zellen einzudringen und deren Genexpression zu manipulieren, sind sie ideale Werkzeuge für den experimentellen Gentransfer. Zwar kommen sie auch in der Gentherapie zum Einsatz, doch besteht hier ein gewisses Unbehagen wegen ihrer potenziellen Pathogenität. In Zukunft könnten sie Konkurrenz durch attenuierte Bakterien bekommen, die sich in Zellen einnisten. Geeignete Bakterien hätten gegenüber Viren den Vorteil, dass sie dem Patienten nicht injiziert werden müssten, sondern dass dieser sie oral einnehmen könnte.

Mikrobiologen der Universität von Kalifornien in Berkeley haben einen gentechnisch veränderten, harmlosen Stamm des infektiösen Bakteriums Salmonella verwendet, um Mäusen Ribozyme zu verabreichen, die in den Zellen die Replikation des murinen Cytomegalievirus (MCMV) verhindern. Der erhoffte Effekt trat fast vollständig ein, wie das Team um den Virologen Fenyong Liu und die Bakteriologin Sangwei Lu in einer aktuellen Publikation darlegte.

Ribozyme sind Ribonucleinsäuren (RNA) mit katalytischen Eigenschaften. Liu und Lu verwendeten M1 RNA, eine katalytische Komponente des Enzyms RNase P, die sie zu dem Sequenz-spezifischen Ribozym M1GS RNA umbauten. M1GS RNA hydrolysiert zielgenau eine bestimmte Region der Boten-RNA, die an der Synthese zweier Proteine beteiligt ist, die das MCMV für seine Replikation benötigt. Dadurch unterbleibt sowohl die Proteinsynthese als auch die Virusreplikation.

Für den Gentransfer hatten Liu und Lu einen neuen Salmonella-Stamm kreiert und zunächst in vitro getestet. Mit dem Anti-MCMV-Ribozym beladen, hemmten die Salmonellen in MCMV-infizierten Mausmakrophagen die Synthese der beiden Proteine um 80 bis 85 Prozent und senkten die Replikationsrate der Viren auf 0,04 Prozent; hingegen schädigten sie die Zellen selbst nicht. Nach oraler Applikation steuerten die Salmonellen insbesondere die Milz und die Leber der Labormäuse an, in denen darauf das mitgeführte Ribozym seine spezifische Wirkung entfaltete. Im Vergleich zu Kontrollgruppen verlängerte sich die Überlebenszeit der behandelten Mäuse signifikant auf etwa das Doppelte.

Liu sieht das wesentliche Ergebnis dieses Versuchs darin, dass erstmals ein Bakterium konstruiert wurde, mit dem sich eine virale Erkrankung erfolgreich behandeln lässt. Lu ergänzte, dass hiermit erstmals eine orale Gentherapie gegen eine Viruserkrankung geglückt sei. Ihrer Meinung nach haben Bakterien als Genfähren eine große Zukunft. Sie könnten nicht nur zur Therapie von Virus-, sondern auch von Krebserkrankungen eingesetzt werden.
Quelle: Bai Y, et al. Oral delivery of RNase P ribozymes by Salmonella inhibits viral infection in mice. Proc Natl Acad Sci; doi: 10.1073/pnas.1014975108.


Dr. Wolfgang Caesar