Regulationsmolekül

Ein Faktor für Zellwachstum und -tod

Göttingen - 11.02.2011, 07:16 Uhr


Das Regulationsmolekül E2F1 kann je nach Situation in zwei völlig konträre Rollen schlüpfen. Dem Göttinger Krebsforscher Professor Dr. Matthias Dobbelstein ist es jetzt mit seinem Team gelungen, diese beiden Gesichter von E2F1 näher zu beschreiben.

In der Regel fördert E2F1 die Zellvermehrung, indem es bestimmte Abschnitte der Erbinformation aktiviert. E2F1 stößt dann eine Signalkaskade an, die letztlich zur verstärkten Teilung der Zelle führt. Wird die Zelle jedoch zu stark stimuliert, besteht die Gefahr einer unkontrollierten Vermehrung und damit der Entstehung von Krebs. Für diesen Fall ist eine Notbremse eingebaut: Die von E2F1 angestoßene Signalkaskade löst den Tod der Zelle aus.

In einem von der Wilhelm Sander-Stiftung geförderten Projekt konnten die Göttinger Forscher insbesondere klären, wie der Zelltod bei zu starker E2F1-Aktivität herbeigeführt wird. Die Forscher fanden heraus, dass E2F1 die Produktion eines kleinen Steuerungsmoleküls, der sogenannten MicroRNA 449, in der Zelle massiv verstärkt. Diese MicroRNA steuert wiederum die Herstellung von speziellen Eiweißmolekülen, die das Programm der Zelle in Richtung Suizid lenken.

Derselbe Suizid-Mechanismus ist auch von einem anderen Regulationsmolekül bekannt, dem p53. Es führt nach irreparabler Schädigung der Erbinformation zielgerichtet den Zelltod herbei. Das geschieht unter anderem, indem die Zelle, ausgelöst durch p53, ihre Menge an MicroRNA 34 erhöht. Die MikroRNA 34 steuert die Herstellung bestimmter Eiweißmoleküle, die letztlich über den Tod der Zelle entscheiden – ganz ähnlich wie die microRNA 449.

In der Tumorzellforschung wird zwischen Tumorsuppressorgenen und Onkogenen unterschieden. Die einen hemmen das Zellwachstum und vermitteln oft sogar den Selbstmord der Zelle, die anderen fördern die Vermehrung und das Überleben der Zellen. Derjenige Abschnitt im Erbgut, der die Information für den Bau von p53 kodiert, ist ein typisches Tumorsuppressorgen. Der Abschnitt für das Regulationsmolekül E2F1 lässt sich dagegen nicht eindeutig zuordnen. Im Gegenteil: Je nach Situation wirkt es entweder als Onkogen oder als Tumorsuppressorgen.

Warum aber funktioniert in Tumorzellen die „eingebaute Notbremse“ gegen überaktive Wachstumssignale nicht mehr ausreichend, so dass sich die Zellen ungebremst weiter vermehren? Einen ersten Hinweis auf die Antwort darauf haben die Göttinger Wissenschaftler bereits gefunden: Gesundes Lungengewebe enthält große Mengen der microRNA 449, während in Tumoren der Lunge dieses Molekül kaum nachweisbar ist. Möglicherweise trägt dieser Verlust von microRNA 449 zum Entstehen der Tumore bei.

Die Regulationsmechanismen in den Zellen sind komplex. Meist ist ein Zusammenspiel mehrerer Moleküle notwendig, um eine gezielte Reaktion herbeizuführen. Dies gilt auch für die Aktivität von E2F1. Die Forscher identifizierten einen Regulator, der die Tragweite der Schädigung des Erbgutes in der Zelle überprüft: das Eiweiß-Molekül Tip60. Sind die Schäden reparabel, reguliert es E2F1 so, dass der Zelltod nicht eintritt.

Quelle: Pressemiteilung der Wilhelm-Sander-Stiftung, München, 1. Februar 2011.


Dr. Bettina Hellwig