Grippeviren

Importine fördern die Infektion

Tübingen - 04.02.2011, 07:46 Uhr


Eine Forschergruppe unter Beteiligung von Wissenschaftlern der Universität Tübingen hat nachgewiesen, dass für die Infektion des Menschen mit Influenza-A-Viren die Proteinvariante Importin-alpha 7 eine entscheidende Rolle spielt.

Diese Erkenntnis könnte von therapeutischem Nutzen sein. Eine vorübergehende Suppression des Importin-alpha 7 bei Erkrankten könnte möglicherweise helfen, die Ausbreitung der Infektion zu verhindern

Grippeviren der Gattung Influenza A stellen für den Menschen eine besondere Bedrohung dar: Ihre verschiedenen Varianten können Artgrenzen überspringen, wie in den letzten Jahren geschehen, etwa vom Schwein oder auch von Vögeln auf den Menschen. Damit das Influenzavirus sich vermehren und somit eine Infektion sich ausbreiten kann, muss das Virus in den Kern der Körperzellen des infizierten Wirts eindringen. Dazu muss es sich an spezifische Proteine adaptieren, die den Weg in den Zellkern vermitteln, Varianten der so genannten Alpha-Importine.

Zellkerne sind durch eine Membran geschützt, durch die nur kleine Moleküle ungehindert eindringen können. Der Importweg von größeren Molekülen und auch der von Viren erfolgt in Abhängigkeit der Importine alpha und beta. Welche Rolle die mittlerweile sechs bekannten, einander sehr ähnlichen Varianten des Alpha-Importins bei der Infektion von Influenzaviren spielen, war bisher nicht bekannt.

In einer neuen Studie hat ein Team von Virologen, Immunologen, Biologen und Molekularpathologen aus Deutschland und Großbritannien die Bedeutung von Alpha-Importinen für den Verlauf von Influenza-A-Infektionen in Zellkulturen sowie in Mäusen untersucht. Hierbei wurden selektiv einzelne Importin-alpha-Varianten supprimiert oder ausgeschaltet. Zu den untersuchten Viren gehörten auch die als Auslöser der so genannten Vogelgrippe bekannt gewordene Influenza-A-Variante H5N1 und die im Jahr 2009 neu aufgetretene Variante des Typs H1N1v, welche zuerst bei Schweinen beobachtet wurde.

Die Forscher konnten zeigen, wie spezifisch Virusproteine auf die verschiedenen Alpha-Importin-Varianten reagieren und dass diese Unterschiede entscheidend dafür sind, welchen Wirt ein Virus infizieren kann: Sie zeigten, dass Vogelgrippeviren Importin-alpha 3 benötigen, während Viren, die an Säugetiere angepasst sind, nicht ohne Importin-alpha 7 effizient replizieren können. Besonders interessant war der Befund, dass die Vermehrung der neuen Influenzavariante H1N1v offensichtlich von den beiden Importinvarianten alpha-3 und alpha-7 abhängig ist. Anscheinend geht eine an den Menschen angepasste Influenza-A-Virusinfektion mit einer Spezifität für Importin-alpha 7 einher. Diese Anpassung scheint bei der Virusvariante H1N1v gerade noch im Gang zu sein.

Importin-alpha 3 unterscheidet sich kaum vom Importin-alpha 7, das eher bei Säugetieren relevant ist; beide Varianten sind zu 99 Prozent identisch. Die Forscher schließen daraus, dass die Interaktion von Vogelviren mit Importin-alpha 3 vermutlich als Wegbereiter für die Anpassung der Viren an Säugetiere zu sehen ist.

Bei Mäusen schwächte ein Fehlen von Importin-alpha 7 den Verlauf einer Infektion mit der Mausvariante von H7N7 deutlich ab. Bei Mäusen, welche kein Importin-alpha 7 besitzen, blieb die Infektion auf die Lunge beschränkt, während in Wildtypmäusen Virusreplikation in Lunge, Leber und Gehirn nachgewiesen wurde. Frühere Forschungen hatten bereits gezeigt, dass H7N7 auch Makrophagen infizieren kann. Die aktuelle Studie zeigte nun, dass bei Tieren, die kein Importin-alpha 7 besitzen, eine Infektion dieser Immunzellen ausblieb. Ähnliche Ergebnisse fanden sich auch bei Infektionen mit H1N1v und H5N1. Die Forscher schließen aus diesen Ergebnissen, dass Importin-alpha 7 offenbar einen entscheidenden Einfluss darauf hat, ob Influenzaviren sich außerhalb der Lunge ausbreiten können und somit weitere Organe befallen werden. Sie konnten erstmals zeigen, dass die Empfänglichkeit für eine Virusinfektion durch Abschaltung spezifischer zellulärer Proteine reduziert werden kann. Sie haben überdies gefunden, dass die Anpassung an die Importin-alpha-7-Variante offenbar entscheidend dafür ist, dass eine Influenza-A-Virusvariante für den Menschen pathogen wird. Ob Importin einen über den Kerntransport hinausgehende weitere Funktion hat, zum Beispiel im Rahmen der Virusreplikation, ist unklar.

Literatur: Gabriel, G., et al.: Nature Communications, 18. Januar 2011, DOI: 10.1038/ncomms1158


Dr. Bettina Hellwig