Virologie

Umfassendere Hepatitis-B-Impfung gefordert

Gießen - 29.01.2011, 06:48 Uhr


Gießener Forscher haben in internationaler Zusammenarbeit neue Erkenntnisse zu einer unerwarteten Auswirkung der Hepatitis-B-Impfung bei Blutspendern gewonnen: Die Impfung begünstigt die Entstehung von okkulten HBV-Infektionen.

Die Hepatitis B führt weltweit zu etwa 600.000 Todesfällen pro Jahr, vor allem aufgrund der Spätfolgen Leberzirrhose und Leberkrebs. Der Erreger, das Hepatitis-B-Virus (HBV), liegt oft unerkannt im Blut vor. Ohne gezielte Gegenmaßnahmen würde dies bei Bluttransfusionen ein großes Problem darstellen. Entschärft wird diese Gefahr in Deutschland durch drei aufwändige labordiagnostische Untersuchungen der Blutspenden auf das genetische Material  (HBV-DNA) und das Hüllprotein des Virus (HBsAg) sowie den Antikörper gegen HBV (Anti-HBc). Dennoch bleibt ein kleines Restrisiko für eine infektiöse Spende von etwa 1:300.000. In der Frühphase der Infektion liegen diese Merkmale nämlich noch in zu geringer Menge vor, um nachweisbar zu sein, während die Menge der Viren schon für eine Infektion der Empfänger der Blutprodukte ausreicht.

Schon seit 1995 ist die sehr gut schützende und nebenwirkungsarme Impfung gegen Hepatitis B in Deutschland für alle Kleinkinder und Jugendlichen empfohlen. Blutspender werden bislang nicht gezielt geimpft, obwohl man vermuten könnte, dass dadurch das Restrisiko auf unter 1:1.000.000 gedrückt werden könnte. Die neuen Erkenntnisse deuten darauf hin, dass die Zurückhaltung, Blutspender zu impfen, eher genutzt als geschadet hat.

Die Impfung begünstigt nämlich die Entstehung von okkulten HBV-Infektionen; das heißt, dass die Infektion nicht durch den üblichen Test auf HBsAg sondern nur durch HBV DNA nachgewiesen werden kann. Das zeigen entsprechende Ergebnisse bei sechs von 3,7 Millionen untersuchten amerikanischen Blutspendern. Man muss von der Infektiosität solcher Spenden für die Empfänger ausgehen, auch wenn diese zurzeit nicht erwiesen ist. Anders als in Deutschland wurde bislang das Spenderblut in den USA wegen der hohen Kosten nicht auf HBV-DNA untersucht. Die neuen Ergebnisse könnten zu einem Umdenken führen.

Die okkulten Infektionen der geimpften Spender verliefen völlig harmlos ohne Symptome einer Leberschädigung. Nach ein bis drei Monaten verschwanden die Viren im Blut. Der durch Impfung erzeugte Schutz war danach aufgefrischt. In dieser Hinsicht spricht also nichts gegen die Impfung. Die Daten zeigten dennoch klare Defizite des bisherigen Impfstoffkonzepts auf.

Von HBV sind neun Genotypen bekannt. Bislang setzten die meisten Fachleute stillschweigend voraus, dass die Impfung mit einem Genotyp gegen alle Genotypen gleich gut schützt. Es zeigte sich aber, dass bei den geimpften und dennoch infizierten Personen vorwiegend andere Genotypen als im Impfstoff auftraten. Der Schutz dagegen war etwa zehnmal schwächer. Weltweit hat nur ein Prozent der HBV-Infizierten den Genotyp des Impfstoffs. Der Egoismus, sich trotz der weltweiten Anwendung des Impfstoffs auf den eigenen regionalen HBV-Genotyp zu beschränken, fällt nun auf diese Länder zurück. Die HBV-Infektionen gehen nämlich auch in den USA oder Deutschland sehr oft von Menschen aus fernen Ländern mit anderen Genotypen aus.

Bei einer umfassenderen Schutzwirkung wäre es möglich, HBV im Lauf von Jahrzehnten ganz auszurotten. Dazu müsste allerdings der bisherige Impfstoff deutlich verbessert werden. Naheliegend wäre es, die weltweit vorherrschenden Genotypen B bis F mit einzubeziehen, aber auch innovativere Konzepte wären zu erwägen.

Studien am Gießener Institut für Medizinische Virologie zeigten, dass die schützende Komponente des Impfstoffs, das HBsAg, bei den verschiedenen Genotypen sehr unterschiedlich sein kann. Auch die gefürchteten Escape-Mutanten des Virus, die in Gegenwart des schützenden Antikörpers entstehen, sind dort oft stark verändert. Sinnvoller wäre es, Bestandteile des Virus als Impfstoff zu verwenden, die das Virus nicht durch Mutation verändern kann, ohne seine Vermehrungsfähigkeit zu verlieren; dies ist insbesondere das PräS-Antigen des Virus.

Literatur: Stramer, S. L., et al.: N. Engl. J. Med. 2011;364:236-47


Dr. Bettina Hellwig


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