Hirntumoren

Ein neuer Impfstoff gegen das Glioblastom

Zürich - 29.12.2010, 06:50 Uhr


Patienten mit Hirntumoren (Glioblastom), bei denen das Krebsgen EGFRvIII nachgewiesen wird, überleben doppelt so lang, wenn sie mit einer neu entwickelten Tumorimpfung behandelt werden. Diese Impfung muss ergänzend zur Standardtherapie erfolgen.

Die von den Nationalen US-Gesundheitsinstituten (NIH) und mehreren Stiftungen finanzierte Untersuchung gehört in eine Reihe von Studien, bei denen Wissenschaftler in den USA und Europa in den vergangenen Jahren versucht haben, Glioblastome mittels des Immunsystems zu bekämpfen. Bei einem Teil dieser Experimente wurde der Impfstoff mit Hilfe von Peptiden hergestellt, die zuvor aus den Tumoren der Patienten gewonnen worden waren. In anderen Studien hatten die Wissenschaftler diese Tumorantigene synthetisch hergestellt. Eine dritte Strategie greift an den Immunzellen an, die selektiert oder gezielt verändert werden, um Tumorzellen besser zu erkennen. Die meisten dieser Ansätze sind bisher aber nur präklinisch getestet worden oder in Studien der Phase I oder II mit einer kleinen Zahl von Patienten.

In der aktuellen Studie war mit 14,2 Monaten die progressionsfreie Überlebenszeit unter den zusätzlich geimpften Glioblastom-Patienten mehr als doppelt so lang als bei einer Vergleichsgruppe, die jeweils nur eine Operation sowie eine Strahlen- und Chemotherapie mit dem Wirkstoff Temozolomid erhalten hatte. Zudem war die Gesamtüberlebenszeit der Vakzine-Empfänger mit durchschnittlich 26 Monaten wesentlich länger als bei den nicht geimpften Studienteilnehmern, die im Mittel nur 15 Monate überlebten.

Ingesamt 35 Patienten mit einem Glioblastom hatten teilgenommen, deren Hirntumoren unter dem Einfluss eines sehr aggressiven Krebsgens standen. Gegen das Produkt dieses Krebsgens (EGFRvIII, epidermal growth factor receptor variant III) hatten US-Forscher einen Impfstoff entwickelt. Er wurde den Patienten einen Monat nach der Strahlentherapie drei Mal im Abstand von jeweils zwei Wochen in der Leistengegend unter die Haut gespritzt, wodurch bei 17 von 18 Studienteilnehmern sämtliche Krebszellen mit EGFRvIII ausgemerzt wurden. Die Impfung wurde dann so lange monatlich wiederholt, bis die Tumoren erneut zu wachsen begannen oder die Patienten ihrer Krankheit erlagen.

Bereits die vorläufige Auswertung des Experiments ergab einen klaren und statistisch signifikanten Überlebensvorteil für die geimpften Patienten: Durchschnittlich war die Krankheit bei ihnen 14,2 Monate zum Stillstand gekommen gegenüber nur 6,3 Monaten in der Vergleichsgruppe. Auch in der Gesamtüberlebenszeit – gemessen ab dem Zeitpunkt der histologisch gesicherten Diagnose – zeigte sich mit 26 versus 15 Monaten die Überlegenheit der zusätzlichen Impfung gegenüber der Standardtherapie. Obwohl nur drei geimpfte Patienten zum Zeitpunkt der letzten Datenauswertung noch am Leben waren, erwies sich die Intervention bereits hier als statistisch hochsignifikant überlegen. Die drei Patienten hatten ihre Diagnose um jeweils annähernd 50 Monate überlebt, zwei davon waren nach 54 Monaten noch progressionsfrei gewesen. Jetzt ist eine Studie der Phase III angezeigt, um die Wirksamkeit der Strategie bei neu diagnostizierten Glioblastomen an einer größeren Anzahl von Patienten zu überprüfen.

Quelle: Sampson, J. H., et al.: J. Clin. Oncol. 2010;28(31):4670-3.



Dr. Bettina Hellwig