Analgetika

Ziconotid drückt auf die Stimmung

Bochum - 03.12.2010, 07:00 Uhr


Der Wirkstoff Ziconotid, das synthetisch hergestellte Gift der Meeresschnecke Conus magus, wurde bei seiner Einführung vor sechs Jahren als sichere Alternative zu Morphin

Ziconotid verursacht keine opioidtypischen Nebenwirkungen wie Atemdepression und führt nicht zur Gewöhnung, zur Toleranzentwicklung. Seit 2004 ist es auf dem europäischen und amerikanischen Markt und wird über Schmerzmittelpumpen bei Patienten eingesetzt, bei denen Opioide nicht ausreichend wirken oder inakzeptable Nebenwirkungen auslösen.

Seit einiger Zeit jedoch mehren sich Berichte über psychische Nebenwirkungen von Ziconotid.

Jetzt vermuten Bochumer Schmerzforscher, dass Ziconotid nicht nur die Weiterleitung von Schmerzreizen hemmt, sondern dabei auch die Stimmung verschlechtern und gleichzeitig Ängste und Impulskontrolle reduzieren könnte. Diese Mechanismen könnten bei Gefährdeten Suizide begünstigen. Die Forscher raten deshalb zu sorgfältiger Diagnostik und Überwachung des psychischen Zustands der mit Ziconotid behandelten Patienten.

Die Mediziner analysierten mehrere Studien und förderten auch mehrere Fälle von Suizidversuchen zutage, die die Originalautoren damals aber nicht der Behandlung mit Ziconotid anlasteten. Jetzt stellen sie zwei neue Fälle vor, die den Verdacht erhärten, dass Ziconotid Suizidgedanken verstärkt.

Der erste Fall sei besonders tragisch, weil ein Patient, der seit Jahren Schmerzen in den Füßen und zahlreiche erfolglose Behandlungsversuche hinter sich hatte, durch Ziconotid erstmals eine deutliche Besserung seiner Schmerzen erlebt hatte, so Prof. Dr. Christoph Maier, Leiter Schmerzambulanz Klinikum Bergmannsheil der Ruhr-Universität Bochum. Nach gut drei Wochen machte er auf alle einen ausgeglichenen Eindruck, beging aber zwei Monate nach dem Beginn der Behandlung mit Ziconotid überraschend Suizid. Eine andere Patientin, 39 Jahre alt und seit 14 Jahren Rückenschmerzpatientin, hatte vor 20 Jahren depressive Phasen und einen Suizidversuch nach einer Schwangerschaft hinter sich. Zwei Monate nach dem Beginn der Behandlung mit Ziconotid – das sie nach aktuellen Empfehlungen wegen ihrer Vorgeschichte gar nicht hätte erhalten dürfen – berichtete sie über verstärkte Suizidgedanken. Außerdem klagte sie über weitere psychische Nebenwirkungen mit Halluzinationen, Verwirrtheit und teilweisen Gedächtnisverlust. Die Mediziner setzten die Ziconotidgaben aus. Zwei Wochen später waren die Suizidgedanken ebenso wie die Halluzinationen verschwunden.

"Beide Fälle stützen die Vermutung, dass es zwischen Ziconotid und Suizidneigung einen kausalen Zusammenhang gibt", folgerte Prof. Maier und fordert: "Hersteller und Zulassungsbehörden sollten das dringend noch einmal überprüfen."

Quelle: Maier, C. et al.: Pain 2010, Online-Vorabpublikation, DOI:10.1016/j.pain.2010.10.007.


Dr. Bettina Hellwig