Erbkrankheit

Stammzell-Gentherapie für seltene Immunkrankheit

Hannover - 21.11.2010, 06:55 Uhr


Weltweit erstmals konnten Kinder, die an der seltenen Immunkrankheit Wiskott-Aldrich-Syndrom leiden, an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) mit Hilfe einer

Die Erberkrankung beruht auf einer Genmutation, welche die Bildung des WAS-Proteins beeinträchtigt. Dieses Protein ist wesentlich für die Funktion des Zytoskeletts und damit notwendig für die Reifung und Aktivierung der Leukozyten und der Thrombozyten. Der Gendefekt wird auf dem X-Chromosom vererbt und betrifft ausschließlich Jungen. Die ersten Symptome treten bereits im frühen Kindesalter auf. Dazu gehören schwere wiederkehrende Infektionen wie Lungenentzündungen sowie Blutungen und Hautausschläge.

Patienten mit Wiskott-Aldrich-Syndrom haben ein hohes Risiko, Autoimmunerkrankungen, Leukämien oder Lymphome zu entwickeln. Unbehandelt führt der Immundefekt im Kindesalter zum Tod. Bislang konnten betroffene Kinder nur mit Hilfe einer Transplantation von Blutstammzellen eines Spenders gerettet werden. Dieses Verfahren ist jedoch häufig mit schweren Nebenwirkungen verbunden, so können schwere Komplikationen durch Unverträglichkeiten des Immunsystems auftreten.

Medizinern ist es jetzt gelungen, mit Hilfe einer Gentherapie die Symptome der Erbkrankheit zu beseitigen. Bei dem gentherapeutischen Verfahren werden den Patienten zunächst ihre eigenen Blutstammzellen (hämatopoetische Stammzellen) entnommen und gereinigt. Im Labor schleusen die Forscher mit Hilfe eines retroviralen Vektors eine gesunde Kopie des WAS-Gens in die Erbinformation der Stammzellen ein und geben diese anschließend den Patienten zurück. Nach der Transplantation der korrigierten Blutstammzellen normalisierten sich innerhalb eines Jahres die Zahl und Funktion der verschiedenen Blutzellen, und die Krankheitssymptome klangen ab. Bei acht von zehn Kindern war die Korrektur in allen Blutzellen bis jetzt stabil. Die Patienten zeigen bis zu vier Jahre nach dem Eingriff keine Krankheitszeichen mehr und führen ein normales Leben. Ein Patient konnte nicht genug korrigierte Zellen erhalten, ein weiterer entwickelte als Nebenwirkung eine Leukämie.

Mögliche Nebenwirkungen der Gentherapie sind unerwünschte Genaktivierungen in einzelnen Zellen, so genannte Insertions-Mutagenesen, die im ungünstigsten Fall eine Krebserkrankung auslösen können. Eine engmaschige Kontrolle der transplantierten Patienten ist darum überaus wichtig. Erste Untersuchungen deuten darauf hin, dass die Leukämie bei einem der Patienten durch die Insertion der retroviralen Vektoren mit ausgelöst wurde.

Quelle: Boztug, K., et al.: N. Engl. J. Med. 2010; 363: 1918-1927



Dr. Bettina Hellwig