Frühgeborene

Früher Schmerz hinterlässt langfristige Spuren

Justus-Liebig-Universität Gießen - 19.10.2010, 06:45 Uhr


Schmerzhafte medizinische Prozeduren bei Frühgeborenen können die Schmerzempfindlichkeit bis ins Jugendalter beeinflussen, wie eine Studie Gießener Mediziner jetzt gezeigt hat. Sie fanden heraus, dass Frühgeborene noch im Alter von elf bis 16 Jahren eine stärkere Gehirnreaktion auf schmerzhafte Reize

Bei Frühgeborenen befindet sich das schmerzverarbeitende System noch mitten im Reifungsprozess. Schmerzforscher vermuten daher, dass schmerzhafte Reize in dieser frühen Entwicklungsphase die Verarbeitung von Schmerz dauerhaft verändern können. Um diese These zu prüfen, untersuchten die Mediziner je neun früh- und reifgeborene Kinder im Alter zwischen elf und 16 Jahren, die auf der Neugeborenen-Intensivstation behandelt worden waren, sowie neun reifgeborene Kinder ohne frühen Krankenhausaufenthalt. Sie beobachteten dazu die Gehirnaktivität der Kinder mittels funktioneller Kernspintomografie, während diese schmerzhafte Hitzereize auf die Haut bekamen. Parallel wurde auch das subjektive Schmerzerleben der Kinder während der Reize erfasst.

Die frühgeborenen, aber nicht die reifgeborenen Kinder reagierten auf die Reize stärker als die Kinder ohne frühen Krankenhausaufenthalt. Die Hirnaktivität bei schmerzhaften Reizen war bei ihnen intensiver und räumlich ausgedehnter. Während die subjektiv empfundene Schmerzintensität bei den Kindern ohne frühen Krankenhausaufenthalt im Verlauf der Reizwiederholungen nachließ, blieb dieser Gewöhnungseffekt bei den Frühgeborenen aus.

Als Konsequenz plädieren die Mediziner für eine sorgfältige Schmerzbehandlung auf der Neugeborenen-Intensivstation. Allerdings ist die medikamentöse Behandlung von Säuglingen schwierig, da nicht geklärt ist, wie gut Schmerzmittel bei ihnen wirken und welche Nebenwirkungen die Substanzen in einem sich entwickelnden Organismus haben können. Auch durch eine Verbesserung der medizinischen Prozeduren könnten Schmerzen reduziert werden.

Quelle: Hohmeister, J., et al.: Pain 2010:150; 257–267


Dr. Bettina Hellwig