Präimplantationsdiagnostik

FDP kontra Merkel

18.10.2010, 08:38 Uhr


In der Koalition verschärft sich der Konflikt über den Embryonenschutz. Nachdem Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Wochenende ein Verbot der Präimplantationsdiagnostik (PID) gefordert hatte, macht der Koalitionspartner FDP klar, dass er ein solch restriktives Vorgehen wohl nicht mittragen würde.

Bei der PID werden im Reagenzglas erzeugte Embryonen vor ihrer Einpflanzung in den Mutterleib auf Erbkrankheiten untersucht – findet sich eine solche Krankheit, soll aussortiert werden können. Merkel hatte sich am Wochenende beim Deutschlandtag der Jungen Union in Potsdam für ein Verbot ausgesprochen: In Abwägung aller Argumente sei es „nahezu unmöglich (…), eine Unterscheidung zu finden zwischen einer schwerwiegenden, genetischen Krankheit und vielleicht nicht ganz so schwerwiegenden“. Deshalb sollte man aus ihrer Sicht die PID verbieten.

Die FDP-Fraktionschefin im Bundestag, Birgit Homburger, betonte daraufhin in der heutigen Ausgabe der „Passauer Neuen Presse“, der Bundesgerichtshof habe in seinem Urteil vom letzten Juli befunden, dass die PID nicht verboten sei. Dies sei „auch gut so“, meint Homburger: „Wenn die Medizin heute in der Lage ist, im Vorfeld schwere Krankheiten zu erkennen und damit unnötiges Leid zu ersparen, dann sollten wir dieses Wissen nutzen.“

FDP-Generalsekretär Christian Lindner sagte dem „Handelsblatt“ (Montagsausgabe): „Für die FDP kann ich ein striktes Verbot der PID ausschließen.“ Er bedauerte, „dass die Bundeskanzlerin als Naturwissenschaftlerin die Chancen dieser Methode nicht stärker würdigt“. In dieser ethischen Frage ende die Richtlinienkompetenz der Kanzlerin. Lindner: „Wenn durch die PID Kinderwünsche erfüllt und gleichzeitig schwerste Gen-Defekte vor der Einpflanzung in die Gebärmutter verhindert werden können, dann ist das ethisch sinnvoll.“ Auch die gesundheitspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Ulrike Flach, plädierte im ZDF dafür, „eine streng nach ethischen Kriterien definierte Rahmenbedingung“ für die Präimplantationsdiagnostik zu schaffen.

Allerdings stößt Merkels ablehnende Haltung auch in der CDU auf Widerstand: So sagte der Chef der NRW- Landesgruppe der CDU im Bundestag, Wirtschafts-Staatssekretär Peter Hintze, am Sonntag im ZDF, ein solches Verbot „wäre ein Verstoß gegen die Moral, es wäre ein Verstoß gegen die Menschenwürde, es wäre ein Verstoß gegen die humanitäre Vernunft“.

 Vorige Woche war deutlich geworden, dass die FDP angesichts des heftigen Widerstands in der Union notfalls eine Mehrheit mit Oppositions-Abgeordneten für eine Regelung der umstrittenen Gentests an Embryonen anstrebt. Eltern mit Erbkrankheiten soll der FDP zufolge die Möglichkeit zu solchen Tests offenstehen. Die CDU hat ihre Haltung – für ein Verbot der Gentests an Embryonen – im Grundsatzprogramm festgeschrieben.

Nach dem besagten Urteil des Bundesgerichtshofs vom vergangenen Juli ist die PID nach einer künstlichen Befruchtung gemäß der bestehenden Gesetzeslage nicht verboten. Das Embryonenschutzgesetz sieht dieses Verbot nicht vor, die PID war damals in Deutschland noch nicht verfügbar. Die Richter hatten aber betont, Gegenstand ihrer Entscheidung sei es nur, über die Untersuchung von Zellen auf schwerwiegende genetische Schäden im Rahmen der PID zu befinden, die schwere gesundheitliche Folgen haben. Einer unbegrenzten Selektion von Embryonen anhand genetischer Merkmale sollte nicht der Weg geöffnet werden.


dpa/Kirsten Sucker-Sket