Pädiatrie

Zucker kann Schmerzen bei Babys nicht lindern

London - 20.09.2010, 07:00 Uhr


Neugeborenen, bei denen operative Eingriffe notwendig sind, wird häufig oral Saccharose verabreicht, um Schmerzen des Eingriffs zu lindern. Ein im "Lancet" veröffentlichter Artikel zeigt jedoch

In der randomisierten kontrollierten Studie erhielten 59 Neugeborene am University College London Hospital per Zufallsverfahren entweder 0,5 Milliliter einer 24-prozentigen Saccharoselösung oder 0,5 Milliliter sterilisiertes Wasser, bevor sie einer klinisch erforderlichen Fersenblutentnahme unterzogen wurden. Primärer Ergebnisparameter war die per EEG aufgezeichnete schmerzspezifische Hirnaktivität, die von einer einzelnen zeitlich begrenzt eingesetzten Lanzette hervorgerufen wurde. Sekundäre Messungen galten den verhaltensbezogenen und physiologischen Basiswerten, den verhaltensgestützten Schmerzwertepunkten (PIPP) und den Schmerz ausweichenden Reflexaktivitäten des Rückenmarks.

29 Kinder erhielten die Zuckerlösung, 30 sterilisiertes Wasser. Jeweils 20 und 24 Kinder wurden in die Analyse der primären Ergebnisparameter einbezogen. Signifikante Unterschiede in den Schmerzaktivitäten des Gehirns nach dem Lanzettenstich gab es zwischen den beiden Gruppen keine. Hinsichtlich der Schmerz ausweichenden Reflexaktivitäten des Rückenmarks konnten in den zuckerlösung- und wasserbehandelten Gruppen ebenfalls keine signifikanten Unterschiede festgestellt werden. Dennoch lag der zur Schmerzerfassung bei Frühgeborenen entwickelte PIPP bei den mit Zuckerlösung behandelten Neugeborenen deutlich niedriger als bei den Babys, die nur sterilisiertes Wasser erhielten (Mittelwerte 5,8 gegenüber 8,5). Auch veränderten deutlich mehr Babys nach Gabe der Saccharoselösung nicht mehr ihre Mimik (7 von 20 vs. keines von 24).

Die Autoren vermuten, dass die Saccharoselösung eine Änderung der Mimik wohl verhindern könnte, obwohl die Hirnaktivität doch ein Schmerzempfinden andeutet. Sie bemerken: "Mit Blick auf die zunehmenden Hinweise auf kurz- und langfristige unerwünschte Auswirkungen frühkindlicher Schmerzerfahrungen auf die Neuroentwicklung ist dieser Punkt besonders wichtig. Das Fehlen von Hinweisen auf eine schmerzlindernde Funktion der Saccharose während dieser Studie lässt vermuten, dass Zucker ohne weitere Forschungen bei Neugeborenen nicht routinemäßig gegen operationsbedingte Schmerzen verwendet werden sollte."

Die Autoren eines verknüpften Kommentars stellen allerdings fest, dass dieses Ergebnis keineswegs überrasche. Ihrer Meinung nach ist die Studie nicht breit genug angelegt, Unterschiede in der Schmerzreaktion aufzudecken.

Quelle: Slater, R: et al.: Lancet 2010; Online-Vorabpublikation, DOI: 10.1016/S0140-6736(10)61303-7


Dr. Beatrice Rall