Welt-Alzheimertag

Gesundheitssystem unzureichend auf Demenzkranke vorbereitet

Berlin - 17.09.2010, 13:22 Uhr


Am 21. September ist Welt-Alzheimertag. Experten rechnen damit, dass es im Jahr 2050 rund 1,8 Millionen Alzheimer-Patienten in Deutschland geben wird. Dafür ist unser Gesundheitssystem heute jedoch nicht gerüstet. Auch die therapeutischen Möglichkeiten sind noch äußerst eingeschränkt.

Im Auftrag der Forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) hat das Institut für Demoskopie Allensbach 115 „Experten“ aus Gesundheitspolitik und -wissenschaft zum Thema Demenz befragt. Sie gehen weit überwiegend davon aus, dass noch vieles geschehen muss, um die künftigen Demenz-Patienten ausreichend versorgen zu können. 88 Prozent halten das Pflegesystem für unzureichend vorbereitet, 82 Prozent meinen, es werde ein Fachkräftemangel herrschen. Für die befragten 59 Gesundheitspolitiker aus Bund und Ländern ist die Vorbereitung auf die steigende Zahl von Demenzkranken nach der Verbesserung des Bildungssystems das Top-Thema (71 Prozent). Von den 56 Wissenschaftlern aus der Gesundheitsökonomie meint zumindest jeder Zweite, dass es sich um ein besonders dringliches Thema handelt – für 79 Prozent von ihnen rangiert die Sicherung einer nachhaltigen Finanzierung des Gesundheitssystems an erster Stelle. 56 Prozent aller Befragten gehen davon aus, dass die Kosten die durch Demenzerkrankungen entstehen, künftig sogar stärker steigen werden, als die durch andere Krankheiten verursachten.

An erster Stelle unter den notwendigen Maßnahmen steht für 84 Prozent der Befragten eine bessere Unterstützung der familiären Pflege. 60 Prozent betonten die Notwendigkeit, auch verstärkt in die Entwicklung neuer Medikamenten zu investieren, die den Ausbruch von Demenz verhindern oder das Fortschreiten zumindest verzögern. Was die Arzneimitteltherapie betrifft, so geben sich die Befragten zurückhaltend, was ihre Einschätzung des gegenwärtigen Forschungsstandes betrifft. Nur 18 Prozent der Ökonomen und 24 Prozent der Politiker sehen hier große Fortschritte. 50 bzw. 40 Prozent meinen, die Fortschritte seien weniger groß. Dennoch gibt es einige Erwartungen an die Zukunft: 64 Prozent halten therapeutische Fortschritte bei Demenzerkrankungen für wahrscheinlich oder sogar sehr wahrscheinlich – dabei sind die Politiker etwas optimistischer als die Wissenschaftler. Bei Krebserkrankungen sind sie übrigens noch zuversichtlich: hier halten 91 Prozent mittelfristige Fortschritte für (sehr) wahrscheinlich.

Etwas überrascht über den Optimismus der befragten „Experten“ zeigte sich Dr. Peter-Andreas Löschmann, Medical Director Speciality Care Pfizer in Berlin. Schon seit Jahrzehnten herrsche Zuversicht, dass Krebserkrankungen spätestens in zehn Jahren in den Griff zu bekommen seien – doch die Fortschritte kommen keinesfalls so schnell wie erhofft. Er ist daher auch vorsichtig, was seine Prognose für die Behandlung neurdegenerativer Erkrankungen betrifft. „Wir wissen nicht, wie Alzheimer entsteht“, räumt er ein. Die laufenden Forschungen basierten auf hypothesegestützten Ansätzen. Zwar gebe es logische Gründe dafür, dass man auf gute klinische Ergebnisse hoffen kann. Doch versprechen will Löschmann nichts. Bislang sind lediglich vier Medikamente gegen Alzheimer zugelassen: drei Acetylcholinesterase-Hemmer und ein NMDA-Rezeptorantagonist. Doch die Erfolge sind noch nicht allzu durchschlagend. Und so wird weiter mit Hochdruck geforscht und entwickelt. 316 Projekte für neue Alzheimer-Medikamente werden international verfolgt – in 72 Studien sind Patienten eingeschlossen. Bereits die letzte Phase der Entwicklung (Phase III) haben drei neue Wirkstoffe erreicht. Zwei von ihnen verfolgen einen immuntherapeutischen Ansatz: Sie setzen mittels monoklonaler Antikkörper am Beta-Amyloid-Protein an, das aus Sicht der beteiligten Wissenschaftler wesentlich zu Absterben der Nervenzellen beiträgt. In etwa eineinhalb Jahren werden die ersten Substanzen die Phase III abgeschlossen haben. Eine gewisse Hoffnung, dass es zumindest für einen Teil der Patienten Fortschritte in der Behandlung geben wird, hat Löschmann. An den einen großen Durchbruch glaubt er allerdings noch nicht.


Kirsten Sucker-Sket