IQWiG-Einschätzung

Nutzen von L-Methionin bei neurogener Blasenstörung unklar

Köln - 13.07.2010, 10:32 Uhr


Ob Patienten mit neurogenen Blasenstörungen von L-Methionin profitieren, ist unklar. Die einzige derzeit verfügbare Studie liefert weder Belege für einen Nutzen noch für einen Schaden

Die Aktivität der Harnblase wird durch das Nervensystem reguliert. Ist es geschädigt und die Verbindung zwischen der Blase und dem Nervensystem ganz oder teilweise unterbrochen, spricht man von einer neurogenen Blasenstörung. Betroffene merken häufig wenig oder gar nichts von dem Bedürfnis, auszuscheiden und sind unfähig, mit der Ausscheidung zu beginnen oder die Blase von der Entleerung abzuhalten. Folgen können wiederkehrende Harnwegsinfekte sein. L-Methionin soll hiergegen durch eine Ansäuerung des Urins wirken. Der niedrigere pH-Wert soll das Bakterienwachstum und das Anhaften von Bakterien an der Blasenwand verhindern und so dazu beitragen, Harnwegsinfekte zu heilen und das Auftreten neuer zu verhindern. Zum anderen soll er die Neubildung von Harnsteinen bremsen und die Wirkung von Antibiotika verbessern, die ihr Optimum in saurem Urin entfalten.

IQWiG-Wissenschaftler haben untersucht, inwieweit der für L-Methionin beschriebene Nutzen tatsächlich zutrifft. Recherchiert wurde nach Studien, bei denen eine Gruppe von Patienten mit neurogenen Blasenstörungen mit L-Methionin behandelt wurde und eine Vergleichsgruppe entweder ein Placebo oder eine andere medikamentöse oder nichtmedikamentöse Therapie erhielt. Ziel der Therapien sollte es sein, Harnwegsinfektionen oder Harnsteine zu behandeln, zu verhindern oder die Wirkung von Antibiotika zu optimieren. Die Teilnehmer sollten nach dem Zufallsprinzip einer der beiden Gruppen zugeteilt sein. Hinsichtlich der Studiendauer gab es keine Einschränkung.

Wie sich zeigte, gibt es bisher nur eine einzige Studie, die diesen Kriterien entspricht. Bedauerlicherweise bleiben wichtige Aspekte von Design und Durchführung der Studie jedoch unklar. Nach Einschätzung des IQWiG sind die Ergebnisse deshalb in hohem Maße anfällig für Verzerrungen. Der Sponsor der Studie, zugleich Hersteller eines L-Methionin-Präparats, hatte vom IQWiG angeforderte zusätzliche Informationen nicht zur Verfügung gestellt. Zu den meisten Zielgrößen wie etwa Sterblichkeit, Krankenhausaufenthalte, sonstige Komplikationen oder Lebensqualität liefert die Studie keine Daten.

Bei den Harnwegsinfektionen werden in der Studie zwei Zielgrößen zusammengefasst: Patienten, die lediglich eine erhöhte Keimzahl im Urin aufwiesen und Patienten, die sowohl eine bestimmte Keimzahl als auch klinische Symptome wie Fieber zeigten. Laut Leitlinien ist eine erhöhte Keimzahl allein jedoch nicht bedeutsam und deshalb auch nicht behandlungsbedürftig. Erst die Kombination mit klinischen Symptomen macht eine erhöhte Keimzahl zu einem patientenrelevanten Endpunkt. Da die Studie keine getrennte Auswertung für die Gruppe mit Symptomen liefert, sind die Ergebnisse nach Auffassung des IQWiG nicht aussagekräftig. Somit liegt auch im Hinblick auf die Harnwegsinfektionen kein Beleg für einen Nutzen vor.

Quelle: IQWiG-Mitteilung vom 12.7.2010


Dr. Beatrice Rall