Arzneimittel-Härtefall-Verordnung

Neue Therapieoptionen für Schwerstkranke

Berlin - 07.07.2010, 15:54 Uhr


Die Bundesregierung hat heute einer Verordnung über das Inverkehrbringen von Arzneimitteln ohne Genehmigung oder ohne Zulassung in Härtefällen (Arzneimittel-Härtefall-Verordnung) zugestimmt.

„Damit werden die Behandlungsoptionen für schwerstkranke Patientinnen und Patienten weiter verbessert und den forschenden Unternehmen der erforderliche Rechtsrahmen für das ausnahmsweise zur Verfügung Stellen eines Arzneimittels vor seiner Zulassung gegeben“, erklärte hierzu Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler.

Schwerstkranke, bei denen die verfügbaren Therapien ausgereizt sind, hoffen vielfach auf neue Möglichkeiten der Behandlung. Zwar läuft die Forschung und Entwicklung neuer Arzneimittel gegen schwere Erkrankungen wie Krebs oder HIV auf hohem Niveau – doch bis es zur Zulassung kommt, vergehen oft viele Jahre. Einige dieser Arzneimittelkandidaten erscheinen für die Behandlung betroffener Patientengruppen jedoch so aussichtsreich, dass sie diesen aus humanitären Gründen auch vor der Zulassung schon zur Verfügung gestellt werden sollten, hieß es aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG). Dies soll mit der vorgelegten Arzneimittel-Härtefall-Verordnung – auch auf der Grundlage bestehenden europäischen Rechts – in rechtssicherer Form ermöglicht werden.

Das Ministerium wies darauf hin, dass Härtefallprogramme in anderen europäischen Mitgliedstaaten bereits seit einigen Jahren mit guten Erfahrungen durchgeführt werden. In Deutschland gebe es dagegen kaum derartige Erfahrungen. Vor allem wegen der „insgesamt guten Versorgungssituation in Deutschland“ sei allerdings nicht davon auszugehen, dass zukünftig Härtefallprogramme in größerer Zahl durchgeführt werden, so das BMG. Für denjenigen, der ein solches Programm beantragt – in der Regel der Sponsor einer klinischen Prüfung oder der Antragsteller der Zulassung – ist dies zudem nicht ohne Risiken: Er trägt er die Gesamtverantwortung für das Programm und ist verpflichtet, das Arzneimittel kostenlos zur Verfügung zu stellen.

Das BMG ist überzeugt, mit der Verordnung ein möglichst unbürokratisches und rasches Verfahren für die Durchführung geschaffen zu haben. Härtefallprogramme sind bei der zuständigen Bundesoberbehörde vor Beginn anzuzeigen. In der Regel könne innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Anzeige mit der Durchführung begonnen werden. Um solche Programme verhindern zu können, bei denen zu befürchtende Risiken den für die Patienten zu erwartenden Nutzen überwiegen, erhält die zuständige Bundesoberbehörde ein Widerspruchsrecht. Für Transparenz soll sorgen, dass die Bundesbehörde die Öffentlichkeit über angezeigte Härtefallprogramme auf ihrer Website informiert.

Unabhängig von dieser Verordnung bleibt der Einsatz nicht zugelassener Arzneimittel auch in individuellen Behandlungsfällen zulässig, wenn er unter der unmittelbaren Verantwortung einer Ärztin oder eines Arztes („Heilversuch“) erfolgt. 


Kirsten Sucker-Sket


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