Arzneimittel-Atlas 2010

vfa: Richtgrößen gehören abgeschafft

Berlin - 30.06.2010, 12:34 Uhr


Die forschenden Pharmaunternehmen (vfa) können die geplanten Verhandlungen zwischen Kassen und Herstellern über Erstattungsbedingungen für neue Arzneimittel grundsätzlich akzeptieren. „Die Richtung stimmt, über Details muss man reden“, sagte heute der vfa-Vorsitzende Wolfgang Plischke. Ein Detail wäre die Abschaffung unnötiger anderer Instrumente – etwa der Richtgrößen.

Anlässlich der Vorstellung des aktuellen Arzneimittel-Atlas am 30. Juni in Berlin warf Plischke der Bundesregierung „wenig Mut zum Markt“ vor. Trotz viel versprechender Ankündigungen im Koalitionsvertrag setze sie auf dirigistische Maßnahmen, statt auf die Kraft des Wettbewerbs zu vertrauen. Zwangsrabatt und Preismoratorium seien „schwere Kommunikationsfehler“ der Politik in die Wirtschaft, sagte Plischke. Unter Investoren werde so das Vorurteil vom allzu staatsnahen deutschen Gesundheitssystem weiter genährt. „Für das Image des Pharma-Standortes Deutschland ist das alles andere als gut“, so der vfa-Vorsitzende.

Gleichwohl räumte Plischke ein, dass die im Gesetz zur Neuordnung des GKV-Arzneimittelmarkts (AMNOG) geplante Aufwertung der Verhandlung von Erstattungsbedingungen zwischen Kassen und Firmen „ein wichtiger und richtiger – vielleicht sogar ein historischer – Schritt“ sei. Die Industrie habe immer für wettbewerbliche Strukturen geworben und ziehe auch mit, „wenn es zum Schwur kommt“. Wenn auch die Richtung aus Sicht des vfa stimmt, so stört sich der Verband doch an Details. So sei die Rolle des GKV-Spitzenverbandes – er soll primär die Verhandlungen mit den Herstellern führen – bedenklich nah am „Nachfragemonopol“ gebaut. „Hier bündelt sich künftig viel Macht im System“, so Plischke. Begegnen könne man dem entweder durch eine Anwendung des Wettbewerbs- und Kartellrechts auf den Spitzenverband oder zumindest durch einen Vorrang von dezentralen Verträgen zwischen einzelnen Firmen und Kassen vor zentralen Vereinbarungen.

Darüber hinaus sei es wichtig, dass der Gesetzgeber alte Lenkungsinstrumente abschafft, wenn er neue – wie Verträge – einführt. „Die von der Politik vorgesehene Deregulierung im Gesundheitsbereich muss hier mehr sein als ein Lippenbekenntnis“, forderte Plischke. Bestes Beispiel für Unnötiges und Unwirksames seien die Richtgrößen. Wie der aktuelle Arzneimittel-Atlas, den das IGES-Institut im Auftrag des vfa erstellt hat, aufzeigt, funktioniert dieses Instrument nicht. In keiner einzigen Region Deutschlands halten die Ärzte die regional vereinbarten Ausgabenobergrenzen für Medikamente ein – eine Folge unrealistischer Vorgaben, wie IGES-Chef Bertram Häussler konstatiert. Angesichts der Feststellungen des Arzneimittel-Atlas, dass Richtgrößenvereinbarungen den medizinischen Bedarf ohnehin nicht abbilden und damit an der Realität vorbeigehen, wäre es laut Plischke „richtig, dieses überkommene Instrument symbolischer Gesundheitspolitik abzuschaffen“. 


Kirsten Sucker-Sket