Alzheimer-Mäuse

Fresszellen im Gehirn sind überraschend träge

Berlin/Tübingen - 21.10.2009, 14:12 Uhr


Berlin/Tübingen. Fresszellen des Gehirns, die so genannten Mikrogliazellen, haben bei Mäusen keinen Einfluss auf den Verlauf der Alzheimer-Erkrankung.

Die Alzheimer-Erkrankung zählt zu der häufigsten Ursache einer Demenz. In Deutschland sind heute etwa 1,1 Millionen Menschen davon betroffen. Aufgrund der demographischen Entwicklung geht man davon aus, dass sich die Zahl der Erkrankten in den nächsten 20 Jahren weltweit verdoppeln wird. In den Gehirnen der Alzheimer-Patienten kommt es zu einer Ablagerung von Amyloid-Plaques, die aus dem krankhaften Eiweiß Amyloid-beta bestehen. In direkter Nähe dieser Plaques häufen sich auch die Mikrogliazellen an.

Bisher gab es die Hoffnung, dass die Mikroglia als Fresszellen in der Lage sind, zumindest einen Teil der krankhaften Plaques zu entfernen. Die Professoren Frank Heppner und Matthias Jucker und ihre Mitarbeiter konnten diese These jetzt im Mausversuch widerlegen. Sie schalteten die Mikrogliazellen durch eine genetische Manipulation sowohl vor als auch nach Entstehung der krankhaften Amyloid-beta-Eiweiß-Ablagerungen in Alzheimer-Mäusen aus. Die Zahl der Plaques änderte sich nicht. Das überraschende Ergebnis: Mikrogliazellen sind weder an der Entstehung noch am Abbau der Amyloid-Plaques beteiligt.

Mikrogliazellen üben als Phagozyten (Fresszellen) des Gehirns eine Überwachungsfunktion aus. Seit langem weiß man, dass in Alzheimer-Gehirnen Mikrogliazellen gehäuft in direkter Nachbarschaft zu den Amyloid-Plaques zu finden sind. Daher wurde bisher vermutet, dass die Mikrogliazellen am Abbau der Amyloid-Plaques beteiligt sind. Überraschenderweise und gegen alle Voraussagen hat die Entfernung der Mikroglia jedoch keinen Effekt auf die Menge an Amyloid-Plaques. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Mikrogliazellen vor oder nach der Entstehung der Amyloid-beta-Eiweiß-Ablagerungen ausgeschaltet werden.

„Theoretisch haben Mikrogliazellen aber durchaus die Fähigkeit, Amyloid zu fressen“, erklärte Heppner. „Das haben andere Experimente gezeigt. Wir müssen in einem weiteren Forschungsprojekt jetzt herausfinden, weshalb dieser Weg bei Alzheimer nicht funktioniert.“ Ziel sei es, Mikrogliazellen so zu verändern, dass sie zu Amyloid-Fressern werden können. „Ein solches Verfahren könnte der Ansatz für eine neue, zumindest experimentelle, zelluläre Therapie und Vorbeugung gegen die Alzheimer-Erkrankung sein.“

Quelle: Stefan A Grathwohl, Roland E Kälin, Tristan Bolmont, Stefan Prokop, Georg Winkelmann, Stephan A Kaeser, Jörg Odenthal, Rebecca Radde, Therese Eldh, Sam Gandy, Adriano Aguzzi, Matthias Staufenbiel8, Paul M Mathews, Hartwig Wolburg, Frank L Heppner, Mathias Jucker: Formation and maintance of Alzheimer's ß-amyloid plaques in the absence of microglia. Nature Neuroscience, Oktober 2009. DOI: 10.1038/nn.2432.


Dr. Bettina Hellwig