Pick-up-Kommode

Die Apotheke von Ikea

Unna - 09.07.2009, 16:06 Uhr


Eine im Edeka-Supermarkt platzierte Kommode mit Schlitz im Deckel soll die Arzneimittelversorgung in der Unnaer Gartenvorstadt übernehmen. Mit der Pick-up-Kommode will ein Unnaer Apotheker den Wunsch nach einer örtlichen Apotheke erfüllen.

Sie steht im örtlichen Edeka-Supermarkt gegenüber vom Postschalter: eine Kommode mit abschließbaren Schubladen und einem Schlitz im Deckel. Kunden finden darauf Bestellscheine, Umschläge und Kugelschreiber. Auf den Bestellschein werden alle gewünschten Medikamente oder andere aus der Apotheke benötigte Produkte sowie die Kundenadresse eingetragen und nach Abtrennen des Abholscheins zusammen mit gegebenenfalls vorhandenen Rezepten in einem Umschlag durch den Schlitz geworfen. Alle Bestellungen landen so in der verschlossenen obersten Schublade und werden dort von Kaisers Team im Laufe des Tages abgeholt. Um 17 Uhr werden dann die bestellten Produkte geliefert und in der Kommode deponiert. Herausgegeben werden sie schließlich von Supermarkt-Betreiber Dirk Pape und seinen Angestellten gegen Vorlage des Abholscheins. Dazu finden sich eine Kasse und Wechselgeld in der zweiten Schublade.

Grundstein für diese ungewöhnliche Idee war eine lokale Initiative und Unterschriftensammlung, mit der eine Apotheke im Quartier gefordert wurde, da die nächstgelegene Apotheke in der Stadt über zwei Kilometer entfernt ist. Das nun entwickelte Konzept sei einzigartig in Deutschland, so Apotheker Kaiser gegenüber apoticker. Besonders Alte und Gehbehinderte würden davon profitieren. Rechtliche Probleme sieht Kaiser nicht, er hat die Idee bei der Aufsichtsbehörde prüfen lassen und diese hat keine Bedenken: "Rein rechtlich ist das eine Versandapotheke." Allerdings sei er deutlich schneller als die üblichen Versender. Alles, was bis zwölf Uhr bestellt sei, wird noch am selben Tag geliefert, Bestellungen nach zwölf am nächsten Tag. "Das schafft keine der Versandapotheken." Analog zu anderen Versendern funktioniert die Beratung: "Telefonische Beratung steht jederzeit während der Apothekenöffnungszeiten zur Verfügung." Kaisers Angebot geht an dieser Stelle über die übliche Pick-up-Stelle hinaus: "Wir sind eine Mischung aus Pick-up und Botendienst. Besonders erklärungsbedürftige Medikamente oder auch solche mit besonderen Lagerbedingungen werden von uns direkt nach Hause geliefert", erläutert er.

Für Kaiser hat das Projekt auch politischen Stellenwert, denn er will das Feld der Pick-ups nicht den Branchenfremden überlassen. "Die Regierung kommt ja nicht aus dem Quark mit der Pick-up-Regelung", ärgert sich der Pharmazeut, "und wenn man nicht ewig warten will und hoffen, dass dabei auch noch etwas Vernünftiges rauskommt, dann muss man eben die Flucht nach vorn ergreifen." Die Arzneimittelversorgung über die Kommode ist seine Antwort auf die Pick-up-Politik der Bundesregierung und er hofft, dass er mit dem Beispiel Schule macht: "Ich möchte alle Kollegen ermutigen, selber aktiv zu werden, Pick-up-Stellen zu inflationieren und den Branchenfremden das Wasser abzugraben."


Tarja Wündrich