Wirtschaft

Wer zu spät kommt ...

Warnstreik bei den "Öffentlichen"

(bü). Ob es passiert ist, weil der Wecker nicht klingelte. Oder ob Bus oder Straßenbahn (warn-)streikbedingt gar nicht erst losgefahren sind: Arbeitnehmer, die deswegen zu spät zur Arbeit kommen, haben schlechte Karten.

Denn das Gesetz verpflichtet zwar in Fällen "persönlicher Verhinderung" den Arbeitgeber, den Lohn oder das Gehalt bis zu sechs Wochen weiterzuzahlen, etwa bei Krankheit. Doch das Risiko der Wege zur Arbeitsstelle tragen allein die Arbeitnehmer.

Wer also wegen eines Streiks bei den öffentlichen Verkehrsbetrieben zu spät am Arbeitsplatz erscheint, der muss den daraus resultierenden Schaden selbst tragen. Und der wird im Regelfall darin bestehen, dass der Arbeitgeber die ausgefallene Arbeitszeit nicht bezahlt, wenn nicht per Einzelarbeits- oder Tarifvertrag für solche Fälle Härteregelungen vorgesehen sind. Nacharbeit ist eine weitere Möglichkeit. Oder aber, dass Arbeitgeber großzügig über Verspätungen hinwegsehen, obwohl sie dazu nicht verpflichtet wären.

In Betrieben mit gleitender Arbeitszeit bringen solche Verspätungen naturgemäß weniger Probleme. Ein anschauliches Beispiel dafür, dass das "Zeitrisiko" der Anfahrtswege vom Arbeitnehmer zu tragen ist.

Dass Verspätungen wegen ausbleibender Busse oder Bahnen nicht zu einer Abmahnung oder Kündigung führen können, versteht sich von selbst. Es sei denn, der Streik dauere an und Mitarbeiter hätten das nach einigen Tagen immer noch nicht gemerkt

Und wie steht es mit Ersatzansprüchen, die die Kunden öffentlicher Beförderungsmittel gegebenenfalls geltend machen können?

Die Verkehrsunternehmen berufen sich bei Streik auf "höhere Gewalt". Das bedeutet: Wer seine Straßenbahn oder den Linienbus wegen des Streiks nicht benutzen kann, der hat keinen Anspruch auf Ersatz seiner Fahrkarte (falls er sie vorher gelöst haben sollte). Auch der Wochen- oder Monatskartenbesitzer kann nicht auf eine anteilige Erstattung für ausgefallene Fahrten hoffen. Der Regional-Zugverkehr der Deutschen Bahn war zumindest von den letzten Streikmaßnahmen nicht betroffen.

Und wenn in anderen Bereichen gestreikt wird?

  • Die "Müllmänner" lassen das von Mietern und Hausbesitzern in graue, grüne, gelbe oder blaue Tonnen aussortiere Hab und Gut stehen – und dürfen das genau so mit gesetzlich verbriefter Berechtigung, wie das Personal der öffentlichen Verkehrsbetriebe Bussen und Bahnen in den Depots eine Ruhepause gönnt. Die betroffenen privaten Haushalte ebenso wie die Gewerbebetriebe, die auf die regelmäßige Leerung angewiesen sind, können den Abtransport nicht erzwingen. Schadenersatzansprüche (etwa nach längerer Streikdauer wegen eines unzumutbaren "Geruchs" der aufgehäuften Müllberge) können ebenfalls nicht geltend gemacht werden – jedenfalls nicht mit Erfolg …

  • Streikt das Personal von Kindertagesstätten, Kindergärten und ähnlich bezeichneten Einrichtungen, so ist das für die betroffenen Eltern der Kleinen zwar bitter – aber ebenso wenig verboten wie in allen anderen Bereichen, in denen Arbeitnehmer versuchen ihr Recht, die Arbeitgeber an den Verhandlungstisch zu bringen und ihre Forderungen (wenigstens größtenteils) durchzubekommen. Regelmäßig steht den Eltern nicht einmal eine Erstattung der – normalerweise ja monatlich im Voraus gezahlten – Gebühren für die Betreuung ihrer Kleinen zu. Je nach Dauer eines Streiks in diesem Bereich haben aber die Betreiber auch schon "mit sich reden lassen" …

  • Und wie steht es mit nicht rechtzeitig ausgestellten Personalausweisen, verspätet eingehenden Baugenehmigungen und ähnlichen Ärgernissen, wenn das Personal der Stadtverwaltungen die Arbeit niedergelegt hat? Es kann nur wiederholt werden: Streiks der Arbeitnehmer sind grundgesetzlich abgesegnet. Und das unabhängig davon, wer davon in welchem Maße betroffen wird. Und auch unberücksichtigt dessen, ob nur eine sehr kleine Gruppe von Arbeitnehmern die (zum Teil ja erheblichen) "Unannehmlichkeiten" verursacht hat …



AZ 2012, Nr. 14, S. 4

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