Medizin

Was ist eigentlich ... eine Hashimoto-Thyreoiditis?

Die Hashimoto-Thyreoiditis ist eine Schilddrüsenerkrankung, die lange Zeit unbemerkt bleiben kann. Durch Bildung von Autoantikörpern wird langsam, aber unaufhaltsam Schilddrüsengewebe zerstört. Dadurch können zunächst erhöhte Mengen von Schilddrüsenhormonen freigesetzt werden, was sich in Symptomen einer Hyperthyreose äußert. Langfristig werden nicht mehr genügend Hormone produziert. Die Betroffenen zeigen die typischen Symptome einer Unterfunktion.

Bei der Hashimoto-Thyreoiditis (auch: Autoimmunthyreoiditis, chronisch lymphozytäre Thyreoiditis) handelt es sich um eine chronische Entzündung der Schilddrüse. Das Gewebe der Schilddrüse ist meist längere Zeit unbemerkt entzündet. Die chronische lymphozytäre Entzündung der Schilddrüse trägt den Beinamen "Hashimoto" nach dem japanischen Arzt Hakaru Hashimoto (1881–1934), der sie 1912 als erster beschrieb. Diese Entzündung wird nicht durch Viren oder Bakterien ausgelöst, sondern resultiert aus einer Fehlsteuerung des Immunsystems. Deswegen wird die Hashimoto-Thyreoiditis auch zu den Autoimmunerkrankungen gezählt. Neben der Hashimoto-Thyreoiditis, die mit einer Vergrößerung der Schilddrüse (Struma) einhergeht, gibt es eine weitere, die Ord-Thyreoiditis, die durch eine Verkleinerung (Atrophie) der Schilddrüse gekennzeichnet ist. Benannt wurde die Ord-Thyreoiditis nach dem Londoner Chirurg Dr. William Miller Ord (1834 –1902), der diese Form schon im Jahre 1878 beschrieben hat.

 

Wenn Antikörper körpereigene Zellen angreifen

Die Entzündung wird durch ein Autoimmungeschehen verursacht. Lymphozyten wandern massenhaft ins Schilddrüsengewebe ein und stellen irrtümlicherweise Antikörper her, die sich gegen das körpereigene Schilddrüsengewebe richten und es zerstören. Die Schilddrüsenzellen werden von der Immunabwehr nicht mehr als körpereigen erkannt, sondern als körperfremd, mit der Folge der Zerstörung der Schilddrüse. Es kommt zur Hypothyreose. Zu Beginn der Erkrankung kann durch die Zerstörung der Schilddrüsenfollikel und Freigabe der darin gespeicherten Schilddrüsenhormone eine vorübergehende Überfunktion entstehen. Das macht zu Beginn der Diagnose die Abgrenzung zum Morbus Basedow schwierig.

 

Rätsel um Ursachen

Vermutlich gibt es nicht eine einzige Ursache. Mehrere Faktoren müssen zusammentreffen, damit es tatsächlich zum Krankheitsausbruch kommt. Die fehlerhafte Antikörperproduktion scheint genetisch terminiert zu sein. Mögliche weitere Ursachen sind Infektionen mit bis heute unbekannten Erregern (Bakterien, Viren), Iodbelastungen (zum Beispiel durch Medikamente oder iodhaltige Kontrastmittel), hormonelle Umstellungen wie Pubertät, Absetzen der Pille, Hormonumstellung nach einer Geburt oder Fehlgeburt, Wechseljahre und psychischer Stress unterschiedlicher Art.

 

Die Hashimoto-Thyreoiditis ist in Deutschland die häufigste Ursache für eine erworbene Unterfunktion der Schilddrüse im Erwachsenenalter. Etwa sieben Prozent der Bevölkerung erkranken daran. Bei etwa 25 Prozent der Betroffenen finden sich weitere autoimmune Krankheiten.

 

Die Erkrankung manifestiert sich meist zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr. Frauen sind von dieser Autoimmunstörung zirka zehnmal häufiger betroffen als Männer.

 

Unspezifisches Symptomenspektrum

Viele Patienten haben keinerlei Beschwerden, solange die Funktion der Schilddrüse noch normal ist. Einige Menschen klagen jedoch über ein Globusgefühl im Halsbereich, ein Unbehagen beim Tragen enger Kleidungsstücke und leichte Schluckstörungen. Deutlicher ausgeprägt sind die Beschwerden bei einer eingetretenen Unterfunktion. Zeichen der Hypothyreose sind allgemeine Erschöpfung mit Kraft- und Antriebslosigkeit, Depression, Müdigkeit, Haarausfall, Gewichtszunahme, Ödembildung, Kälteempfindlichkeit, blass-gelbliche Hautfarbe, Muskelschwäche, Obstipation, Bradykardie (langsamer Puls), Hypotonie sowie erhöhte Cholesterinwerte und Zyklusstörungen bei Frauen. Daneben können vielfältige andere Symptome auftreten. Eine Augenbeteiligung wie beim Morbus Basedow ist möglich, aber seltener.

 

Wichtige Abkürzungen

 

TSH = Thyroidea-Stimulierendes Hormon (Thyrotropin)

fT3 = freies Triiodthyronin

fT4 = freies Thyroxin

TPO-AK = Antikörper gegen Thyreoperoxidase (Thyroidperoxidase)

Tg-AK = Antikörper gegen Thyreoglobulin

TRAK = TSH-Rezeptor-Antikörper

Blut und Ultraschallliefern Hinweise

Eine Blutuntersuchung kann erste Hinweise auf eine Schilddrüsenerkrankung geben. Bei der Hashimoto-Thyreoiditis wird dabei zwischen den Hormonen (TSH, fT3, fT4), welche die Schilddrüsenfunktionslage beschreiben und den Antikörpern (TPO-AK, Tg-AK, TRAK), die für die Diagnose wegweisend sind, unterschieden (s. Kasten). Das Fehlen von Antikörpern schließt eine Hashimoto-Thyreoiditis nicht zwingend aus.

 

Unabhängig vom Ergebnis der Blutwerte sollte bei für eine Schilddrüsenerkrankung typischen Beschwerden eine Sonografie durchgeführt werden. Mit dieser lassen sich Entzündungen und Größenveränderungen der Schilddrüse eindeutig nachweisen. Da die hypertrophe Form der Hashimoto-Thyreoiditis mit einer Struma einhergehen kann, sind Größen über ca. 18 ml (Frauen) bzw. ca. 25 ml (Männer) Gesamtvolumen als auffällig anzusehen. Wird dabei ein Schilddrüsenvolumen kleiner 10 ml festgestellt, kann dies ein Hinweis auf eine Hypothyreose sein.

 

Besonders im Anfangsstadium der Hashimoto-Thyreoiditis ist die Funktion der Schilddrüse oft noch nicht eingeschränkt, da der entzündliche Zerstörungsprozess eher schleichend verläuft und es somit auch nur sehr langsam zu einem messbaren Funktionsverlust kommt (Normwert TSH: 0,3-2,5 mU/l).

 

In der Dopplersonografie kann eine verstärkte Durchblutung des Schilddrüsengewebes ein Hinweis auf das Vorhandensein eines Entzündungsherdes sein. In Einzelfällen erfolgen weitere Untersuchungen wie eine Szintigrafie, eine Gewebeentnahme mittels Feinnadelbiopsie oder ein TRH-Stimulationstests, mit dem die Stimulierbarkeit der TSH-Bildung in der Hypophyse überprüft werden kann.

 

Lebenslang Levothyroxin

Die Hashimoto-Thyreoiditis selbst ist nicht heilbar. Das Autoimmungeschehen als unmittelbare Ursache ist zurzeit therapeutisch nicht beeinflussbar.

 

Es ist nur möglich, das entstehende Hormondefizit auszugleichen. Wichtig ist in dem Zusammenhang, dass die Schilddrüsenhormondosis nur langsam (wochenweise um 25 µg) gesteigert wird.

 

Therapeutisch werden am häufigsten Monopräparate eingesetzt, die Levothyroxin (T4) als alleinigen Wirkstoff enthalten. Zur Behandlung einer durch die Hashimoto-Thyreoiditis bedingten Schilddrüsenunterfunktion stehen neben dieser Standardtherapie mit T4 auch Präparate zur Verfügung, die T3 enthalten.

 

Vielen Betroffenen ist dank einer individuell angepassten Therapie ein weitgehend beschwerdefreies Leben möglich. Leider gibt es aber auch Erkrankte, die aufgrund anhaltender Symptome dauerhaft in ihrer Lebensqualität beeinträchtigt sind und für die es kaum alternative Behandlungsmöglichkeiten gibt.

 

Regelmäßige Kontrollen der Konzentration der Schilddrüsenhormone im Blut (etwa alle drei bis sechs Monate) erleichtern die richtige Dosierung und Anpassung des Hormonspiegels. Am Untersuchungstag darf das Thyroxinpräparat nicht eingenommen werden! Die Kontrolluntersuchungen sind lebenslang notwendig. Kommt es zu einer Kropfbildung, sollten die Schilddrüsenhormone schon verabreicht werden, bevor eine Unterfunktion der Schilddrüse eintritt. Durch die Hormontherapie kann die Schilddrüse wieder verkleinert werden. In besonderen Fällen, etwa bei Beeinträchtigungen durch eine vergrößerte Schilddrüse oder bei Verdacht auf ein Schilddrüsenkarzinom, ist eine Operation notwendig. Leider garantiert aber auch eine Operation keine anschließende Beschwerdefreiheit.

 

Cave Iod!

In seltenen Fällen kann die Erkrankung durch zu viel Iod ausgelöst werden. Deshalb sollten Personen mit erblicher Vorbelastung einen Überschuss an Iod in der Nahrung vermeiden, weil im Bestreben, das Iod zu verarbeiten, die kranke Schilddrüse in ihrer Aktivität sonst nur noch gefördert und damit der Autoimmunprozess unnötig angeheizt würde. Ein Zuviel an Iod kann der Körper zum Beispiel beim Verzehr von Meeresfrüchten und -fischen oder Algenpräparaten bekommen. Auf die aktive Zufuhr von Iod in Form von Iodtabletten, Iodsalz oder Nahrungsergänzungsmitteln mit einem hohen Iodanteil sollte ebenfalls verzichtet werden.

 

Quelle
Hörmann R: Schilddrüsenkrankheiten: Leitfaden für Klinik und Praxis. Wissenschaftsverlag 2005
Gärtner R: Schilddrüsenerkrankungen: Grundlagen, Diagnostik, Therapie. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 2004 

 

 

Dr. med. Ingo Blank, Gärtringen

 

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